Sichere Kalkulation oder flexible Beschaffung – Unternehmen müssen klare Strategien entwickeln

Preisschwankungen effizient nutzen. Grafik: Leonardo.ai
Theo Parpan, Geschäftsführer enexion GmbH. (Foto: enexion)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Interview mit Theo Parpan, Geschäftsführer der enexion GmbH

Die Energiebeschaffung bleibt für energieintensive Unternehmen eine zentrale Herausforderung. Während Festpreisverträge Planungssicherheit bieten, ermöglicht das Portfoliomanagement eine flexiblere Anpassung an Marktentwicklungen. Theo Parpan, Geschäftsführer der enexion GmbH, erklärt, welche Strategien Unternehmen aktuell verfolgen sollten – und wie sie dabei politische Rahmenbedingungen und regulatorische Aspekte berücksichtigen können.

Frage: Die Energiepreise sind weiterhin volatil, und viele Unternehmen suchen nach einer verlässlichen Beschaffungsstrategie. Wie beurteilen Sie die aktuelle Marktlage?

Theo Parpan: Die Energiemärkte haben sich zwar etwas stabilisiert, aber wir sehen weiterhin erhebliche Preisschwankungen, die geopolitische und wirtschaftliche Faktoren beeinflussen. Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass Unsicherheit das neue „Normal“ ist. Ein reiner Festpreisansatz kann unter diesen Bedingungen genauso riskant sein wie eine zu spekulative Marktstrategie. Entscheidend ist, Risiken intelligent zu verteilen und Beschaffungsstrategien dynamisch anzupassen.

Frage: Viele Unternehmen setzen auf das Portfoliomanagement, um flexibler auf Marktbewegungen zu reagieren. Welche Vorteile und Herausforderungen sehen Sie in diesem Modell?

Theo Parpan: Das Portfoliomanagement bietet Unternehmen die Möglichkeit, nicht den gesamten Energiebedarf auf einen Schlag einzukaufen, sondern ihn gestaffelt über einen längeren Zeitraum zu beschaffen. Dadurch lassen sich Preisrisiken streuen, und die Unternehmen können günstige Marktphasen gezielt nutzen. Allerdings erfordert diese Strategie ein tiefes Verständnis der Energiemärkte und eine fortlaufende Beobachtung der Preisentwicklungen. Denn wer die Preisentwicklung falsch einschätzt oder Marktbewegungen verschläft, kann im ungünstigsten Fall höhere Kosten verursachen als bei einer konservativen Beschaffungsstrategie. Unternehmen, die nicht über eigene Ressourcen für diese Analysen verfügen, sollten sich externe Expertise sichern, um Fehlentscheidungen zu vermeiden.

Dabei spielen natürlich auch rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen eine Rolle: Zum Beispiel beeinflussen nationale Emissionshandelssysteme, Abgaben auf Strom und Gas oder spezielle Entlastungsmaßnahmen wie Energiepreisbremsen die tatsächlichen Beschaffungskosten. Ein guter Portfoliomanager behält also nicht nur den Großhandelsmarkt im Blick, sondern auch aktuelle Gesetzesänderungen und Förderprogramme.

Frage: Die Industrieproduktion in energieintensiven Branchen ist seit 2022 rückläufig. Welche Rolle spielt die Energiebeschaffung in dieser Entwicklung?

Theo Parpan: Die hohen Energiepreise der letzten Jahre haben viele Unternehmen in Deutschland stark belastet. Global agierende Konzerne können zum Teil ausweichen und Produktionskapazitäten verlagern, was dem Standort Deutschland natürlich schadet. Mittelständische Betriebe hingegen haben oft weniger Spielraum. Ein ineffizientes Beschaffungsmanagement kann dort schnell zur existenziellen Bedrohung werden.

Die Politik hat zwar mit Maßnahmen wie den Energiepreisbremsen oder Hilfsprogrammen gegengesteuert, doch diese Entlastungen sind teils befristet oder an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. So haben Unternehmen, die rechtzeitig Förderungen oder staatliche Preisbremsen in Anspruch nehmen konnten, vielleicht etwas Luft bekommen. Aber langfristig müssen sie dennoch ihre Grundstrategie anpassen – das heißt, zusätzlich Effizienzpotenziale heben, Lastmanagement betreiben und zukünftige politische Eingriffe antizipieren, um nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Frage: In welchen Bereichen greifen Politik und Regulatorik aktuell besonders ein, und wie sollten Unternehmen diese Eingriffe in ihre Beschaffungsstrategie einbeziehen?

Theo Parpan: Zunächst sind da die Energiepreisbremsen zu nennen, die in Deutschland vorübergehend eingeführt wurden, um die Kostenexplosion zu begrenzen. Sie bieten Unternehmen eine gewisse Stabilität bei den Bezugskosten, allerdings sind sie zeitlich beschränkt und an spezifische Verbrauchsmengen oder Förderrichtlinien gekoppelt. Zudem gibt es Förderprogramme für Energieeffizienzmaßnahmen, zum Beispiel für den Einsatz effizienterer Produktionstechnologien oder die Implementierung von Energiemanagementsystemen. Wer hier rechtzeitig aktiv wird, kann Investitionskosten teilweise refinanzieren – und senkt damit langfristig seinen Energiebedarf und seine Kosten.

Wichtig ist auch der Regulierungsrahmen für erneuerbare Energien. Gerade langfristige Stromabnahmeverträge (PPA – Power Purchase Agreements) gewinnen an Bedeutung, indem sie die Direktbelieferung aus erneuerbaren Quellen ermöglichen. Unternehmen können so nicht nur Preise mittel- bis langfristig sichern, sondern sich auch nachhaltiger positionieren.

Wesentlicher Punkt ist, all diese Elemente von Beginn an in eine Gesamtstrategie einzubetten. Ein reiner Blick auf den Börsenpreis reicht nicht aus, man muss alle politischen Stellschrauben kennen. Hier sind Beratung und ein gut informierter Energieeinkauf entscheidend.

Frage: Welche Empfehlungen geben Sie Unternehmen, die ihre Beschaffungsstrategie überdenken?

Theo Parpan: Erst einmal sollten sie ihre individuelle Risikobereitschaft und Situation genau analysieren. Wer eine höhere Planungssicherheit benötigt – etwa weil er langfristige Verträge mit Kunden hat und hohe Preisschwankungen nicht an diese weitergeben kann – fährt oft besser mit einer stärker abgesicherten Beschaffung. Das muss aber nicht zwingend ein einziger Festpreisvertrag sein; es gibt auch Mischmodelle, bei denen ein Teil des Bedarfs fest abgesichert und ein Teil flexibel an den Markt gekoppelt ist.

Für Unternehmen, die über ausreichende Ressourcen oder externe Partner verfügen, kann ein Portfoliomanagement sinnvoll sein, um gezielt auf Preisdellen zu reagieren. Wichtig ist, die richtigen Instrumente und Analysen zu nutzen und gleichzeitig politische Entwicklungen wie Förderprogramme oder Abgabenänderungen zu berücksichtigen. Werden plötzlich neue Energieeffizienzprogramme angekündigt oder ändern sich Steuersätze, kann das massive Auswirkungen auf die rentabelste Beschaffungsstrategie haben.

Kurz gesagt: Wer strategisch plant und bereit ist, seine Beschaffung laufend an neue Rahmenbedingungen anzupassen, verschafft sich einen klaren Wettbewerbsvorteil.

Frage: Wie wird sich der Energiemarkt in den nächsten Jahren entwickeln, und was bedeutet das für Unternehmen?

Theo Parpan: Wir erleben einen umfassenden strukturellen Wandel. Der Ausbau erneuerbarer Energien wird fortgesetzt, Netzgebühren steigen tendenziell, und die Angebotslage verschiebt sich global. Zugleich werden zusätzliche Regulierungsinstrumente eingeführt, etwa Verschärfungen im Emissionshandel, neue Förderungen für grüne Technologien oder weitere Anreize für Lastmanagement und Flexibilitätsmechanismen.

Unternehmen sollten deshalb frühzeitig handeln, um von diesen Entwicklungen zu profitieren: Dazu gehören eigene Erzeugungskapazitäten (z. B. Photovoltaik, Kraft-Wärme-Kopplung) sowie PPA, um langfristig stabile Preise für Grünstrom zu sichern. Daneben können staatliche Förderprogramme bei der Finanzierung von Effizienzprojekten helfen und gleichzeitig die CO₂-Bilanz des Unternehmens verbessern. Wer sich hier klug aufstellt und Regulatorik nicht nur als Belastung, sondern als Chance begreift, kann deutliche Kostenvorteile realisieren und sich im Wettbewerb besser positionieren.