(Grafik: Technik+Einkauf/enexion)
Energieeinkauf unter veränderten Rahmenbedingungen
Vier Herausforderungen und Handlungsansätze
Der Energieeinkauf ist längst keine rein operative Aufgabe mehr. Er greift tief in die Unternehmensstrategie ein – von der Kostenkontrolle bis zur Nachhaltigkeit. Auf dem Digitalen Thementag des Fachmagazins Technik + Einkauf zum Thema Energieeinkauf (08.05.2025) zeigte Theo Parpan, wie sich mit einem integrierten Ansatz, der sich an den Kundeninteressen orientiert, dieser Wandel professionell und praktikabel bewältigen lässt.
In den letzten 20 Jahren hat sich die Energiebeschaffung grundlegend verändert. Was einst ein administrativer Vorgang war, ist heute ein komplexes Steuerungsfeld mit direktem Einfluss auf Kosten, Planungssicherheit, Nachhaltigkeit und Compliance. Geopolitische Spannungen, regulatorische Veränderungen und die Energiewende zwingen Unternehmen dazu, den Energieeinkauf strategisch, organisatorisch und prozessual neu zu denken.
Vier prägende Themen im Energieeinkauf
In der aktuellen Praxis lassen sich vier übergeordnete Einflussfaktoren identifizieren, die nahezu jede Organisation betreffen – unabhängig von Branche oder Unternehmensgröße.
- Preisvolatilität und Kostenkontrolle: Die Energiemärkte sind unberechenbarer geworden. Geopolitische Konflikte, Änderungen in der Kraftwerksstruktur und die Bedeutung kurzfristiger Märkte treiben die Preisschwankungen. Unternehmen müssen ihre Energiebudgets präzise planen, ohne Marktchancen zu verpassen. Gleichzeitig belasten steigende Netzentgelte, Abgaben und Umlagen die Gesamtkosten.
- Versorgungssicherheit und Risikomanagement: Eine stabile Energieversorgung ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Marktstörungen, Lieferengpässe und Netzinstabilitäten treffen besonders energieintensive Branchen oder kritische Infrastrukturen. Die wachsende Zahl an Marktteilnehmern und die diversifizierte Erzeugungslandschaft erhöhen die Anforderungen an Beschaffung und Risikomanagement.
- Nachhaltigkeit und Herkunftsnachweise: Die Energiebeschaffung prägt die CO₂-Bilanz eines Unternehmens. Herkunft und Emissionseigenschaften der Energie gewinnen an Bedeutung. Berichtspflichten wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), das Lieferkettengesetz oder der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) verstärken den Druck. Unternehmen müssen nachweisen, wie viel erneuerbare Energie sie nutzen und wie diese vertraglich abgesichert wurde.
- Regulatorik und administrative Anforderungen: Die rechtlichen Vorgaben in der Energiebeschaffung werden immer komplexer. Nationale, europäische und internationale Regelungen erfordern mehr Zeit und Personal. Besonders die transparente und strukturierte Dokumentation der Beschaffung – technisch wie kaufmännisch – gewinnt zunehmend an Bedeutung.
Strategien für ein neues Umfeld
Wie können Unternehmen ihre Beschaffungsprozesse im Hinblick auf diese vier zentralen Einflussgrößen anpassen? Die folgenden Prinzipien helfen, die Herausforderungen zu meistern.
Ganzheitliche Ansätze statt Einzellösungen: Preisoptimierung, Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Regulatorik hängen zusammen. Eine Maßnahme im Bereich Preisoptimierung kann negative Effekte auf die Nachhaltigkeitsbilanz oder die Versorgungssicherheit haben. Nur ein integrierter Blick auf alle vier Felder führt zu tragfähigen Lösungen.
Zugang zu flexiblen Beschaffungsmärkten: Unternehmen mit hohem Energieverbrauch (ab 20 GWh) können Energie direkt am OTC-Markt oder über Broker beziehen, ohne klassische Ausschreibungen. Das bietet Flexibilität, erfordert aber Marktkenntnis, Vertragskompetenz und Risikomanagement.
Integration von Herkunftsnachweisen und PPA: Herkunftsnachweise (HKN) und Power Purchase Agreements (PPA) sind oft nötig, um Berichtspflichten zu erfüllen und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Da die Märkte für Grünstrom weniger standardisiert sind, wird die Auswahl und Kombination der Beschaffungsinstrumente zu einer eigenständigen Aufgabe.
Digitale Werkzeuge für Monitoring und Reporting
Der Aufbau oder die Nutzung digitaler Systeme zur Überwachung von Marktbewegungen, zur Prognose von Kostenentwicklungen und zur Dokumentation von Beschaffungsvorgängen sind unverzichtbar. Sie helfen Risiken frühzeitig zu erkennen und schaffen Transparenz gegenüber internen und externen Stakeholdern.
Praxisbeispiele
Die Umsetzung hängt stark vom Verbrauchsprofil, der Risikobereitschaft und den strategischen Zielen eines Unternehmens ab:
- Industrieunternehmen mit hohem Stromverbrauchprofitieren von der direkten Anbindung an den Großhandelsmarkt, kombiniert mit langfristigen Rahmenverträgen und einem systematischen Portfoliomanagement.
- Unternehmen mit Nachhaltigkeitsanforderungensetzen gezielt auf Herkunftsnachweise oder Grünstromverträge, oft unabhängig von bestehenden Lieferverträgen, um Interessenkonflikte zu vermeiden.
- Betriebe mit flacher Lastkurve, z. B. Rechenzentren, müssen bei der Integration volatiler Erzeugungsformen (z. B. aus PPAs) technische und wirtschaftliche Strukturen so gestalten, dass die Vorteile auch tatsächlich ankommen.
Zukunft der Energiebeschaffung
Der Energieeinkauf bleibt in den kommenden Jahren ein zentraler Bestandteil der strategischen Unternehmensführung. Die zunehmende Volatilität der Märkte, wachsende regulatorische Anforderungen und der Umbau der Energieinfrastruktur fordern Organisationen und Entscheidungsprozesse heraus. Zugleich eröffnen neue Marktmodelle, digitale Werkzeuge und intelligente Beschaffungsstrategien auch attraktive Gestaltungsspielräume. Kurz: Unternehmen, die Preis, Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Regulatorik miteinander verbinden, sichern nicht nur ihre Wirtschaftlichkeit, sondern stärken ihre Zukunftsfähigkeit in einem dynamischen Umfeld.
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