Die Energiekrise der letzten Jahre hat eines deutlich gemacht: Unternehmen können sich nicht mehr auf eine durchgängig stabile Versorgung verlassen. Gestörte Lieferketten, Preissprünge, geopolitische Unsicherheiten – all das hat gezeigt, wie schnell aus einem funktionierenden Energiesystem ein Risikoszenario werden kann.
Der Gesetzgeber hat reagiert – mit neuen Vorgaben zur Versorgungssicherheit. Unternehmen sind inzwischen nicht nur wirtschaftlich, sondern auch regulatorisch verpflichtet, sich auf Ausfälle und Engpässe vorzubereiten.
Wer keine Notfallpläne vorweisen kann, riskiert im Ernstfall nicht nur Produktionsausfälle, sondern auch rechtliche Konsequenzen.
In diesem Beitrag zeigen wir auf, worauf Unternehmen achten müssen, und erläutern anhand eines Praxisbeispiels aus der Chemieindustrie, wie man einen soliden Notfallplan erstellt.
1. Welche Gesetze und Vorschriften gelten?
Die rechtlichen Vorgaben zur Versorgungssicherheit sind auf verschiedene Regelwerke verteilt – abhängig von Branche, Unternehmensgröße, Infrastrukturrelevanz und Energiemix. Wichtige Regelwerke sind u. a.:
- Energiesicherungsgesetz (EnSiG): Erlaubt im Krisenfall hoheitliche Eingriffe in die Energieversorgung. Unternehmen können von Zuteilungen oder Einschränkungen betroffen sein. Die Pflicht zur Mitwirkung bei Krisenreaktionsplänen kann auch Unternehmen ohne KRITIS-Status betreffen.
- Energieeinsparverordnung (EnSimiMaV): Verpflichtet bestimmte Unternehmen zur technischen Prüfung, Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen – aber auch zur Vorbereitung auf alternative Versorgungswege.
- KRITIS-Verordnung & IT-Sicherheitsgesetz: Betreffen Unternehmen in kritischen Infrastrukturen (Energie, Wasser, Ernährung, Chemie, etc.). Hier sind Notfallpläne und Schutzkonzepte verpflichtend – inkl. Dokumentation, Tests und Nachweispflicht.
- EnWG & ISO 50001: Nicht verpflichtend, aber zunehmend Referenzstandard für strukturiertes Energiemanagement, in dem Notfallmanagement verankert sein sollte.
Die Herausforderung: Diese Regelwerke sind oft nicht aufeinander abgestimmt – und stellen hohe Anforderungen an die interne Koordination zwischen Energie, Recht, Technik und Nachhaltigkeit.
2. Welche Notfallstrategien müssen Unternehmen bereithalten?
Ein effektiver Energie-Notfallplan ist mehr als eine Excel-Tabelle oder ein Krisentelefon. Er muss:
- Risiken systematisch identifizieren (z. B. Gasnetzabhängigkeit, fehlende Redundanz, Lieferantenkonzentration)
- Maßnahmen zur technischen Absicherung enthalten (z. B. Eigenerzeugung, Brennstoffwechsel, Speicherlösungen)
- organisatorische Vorkehrungen definieren: Wer informiert wen? Wer entscheidet? Wer koordiniert mit Behörden, Kunden, Lieferanten?
- Simulationen und Probeläufe beinhalten – idealerweise jährlich.
Notfallpläne sollten stufenweise aufgebaut sein – von der Betriebsanpassung über Lastverlagerung bis hin zur geordneten Teilabschaltung.
3. Welche Meldepflichten bestehen bei Engpässen?
Sobald Energieknappheit nicht mehr nur intern zu Problemen führt, sind formale Meldepflichten zu beachten. Je nach Situation, Betroffenheit und Marktrolle können folgende Stellen relevant sein:
- Bundesnetzagentur (BNetzA): Koordiniert zentrale Maßnahmen in Versorgungskrisen. Unternehmen mit hohem Verbrauch oder Netzeinfluss werden ggf. direkt aufgefordert, Pläne oder Daten zu liefern.
- Netzbetreiber / Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB): Sind erste Anlaufstelle bei Engpässen. Lastabwurfszenarien oder Priorisierungen werden gemeinsam mit Kunden entwickelt.
- BAFA / Hauptzollamt: Müssen informiert werden, wenn Fördertatbestände (z. B. Stromsteuerermäßigung) nicht mehr erfüllt werden – etwa durch Stillstand, Eigenverbrauchsabbruch o. ä.
- REMIT-Verordnung (EU): Verpflichtet Marktteilnehmer im Großhandel zur unverzüglichen Meldung von Ausfällen, Engpässen oder Marktverzerrungen.
Unternehmen müssen im Vorfeld klären: Wer ist wann meldepflichtig, und über welche Kanäle? Die Reaktionszeit liegt in manchen Fällen bei unter 24 Stunden.
Typische Herausforderungen in Unternehmen
- Regelwerke sind nicht einheitlich – und schwer zu interpretieren.
→ Viele Unternehmen verlassen sich auf ad hoc-Lösungen oder veraltete Templates. - Fehlende Zuständigkeiten intern:
→ Wer ist für den Notfallplan verantwortlich? Energie? Umwelt? IT? Produktion? - Unzureichende Datentransparenz:
→ Ohne aktuelle Lastprofile, Verbrauchswerte und Versorgungsverträge ist keine belastbare Planung möglich. - Fehlende externe Koordination:
→ Netzbetreiber, Lieferanten und Dienstleister sind nicht in die Notfallstrategie eingebunden – das führt im Ernstfall zu Verzögerungen und Missverständnissen.
Wie macht man Komplexität greifbar und Versorgungssicherheit umsetzbar?
enexion unterstützt Unternehmen dabei, ihre Energieversorgung nicht nur reaktiv zu sichern, sondern proaktiv zu gestalten – strukturiert, nachvollziehbar und passgenau zur regulatorischen Lage.
- Regulatorik-Check & Relevanzanalyse
Im ersten Schritt klären wir die zentrale Frage: Welche gesetzlichen und normativen Anforderungen gelten für Ihr Unternehmen – heute und perspektivisch? Das umfasst nicht nur das EnSiG und die Energieeinsparverordnungen, sondern auch branchenspezifische Vorgaben (z. B. in der Chemie, Lebensmittel- oder IT-Industrie), kritische Infrastruktur-Verordnungen, Meldepflichten im Rahmen der REMIT-Verordnung sowie Anforderungen aus Energiemanagementsystemen nach ISO 50001.
Wir analysieren diese Anforderungen individuell je Standort, Versorgungsart und Marktrolle. Dabei berücksichtigen wir auch EU-Vorgaben (z. B. CBAM, RED III) und bereiten sie in verständlicher, umsetzungsorientierter Form auf.
- Risikoaufnahme & Schwachstellenanalyse
Auf Basis der regulatorischen Grundlagen untersuchen wir: Wo liegen die konkreten Risiken in Ihrer Versorgungskette – technisch, organisatorisch und wirtschaftlich? Dazu analysieren wir Ihre aktuellen Verbrauchsdaten, Netzanbindungen, Lastgänge und Backup-Optionen. Wir erfassen die kritischen Abhängigkeiten in der Produktion – z. B. ob ein Standort im Notbetrieb geführt werden kann oder ob ein Komplettausfall sofortige Produktionsstillstände zur Folge hätte.
Durch strukturierte Interviews, Datenanalysen und Standortbegehungen entwickeln wir ein realistisches, priorisiertes Risikobild – als Grundlage für alle weiteren Maßnahmen.
- Entwicklung eines ganzheitlichen Notfallkonzepts
Basierend auf der Risikoanalyse erarbeitet enexion ein maßgeschneidertes Notfallkonzept – abgestimmt auf Ihre Unternehmensstruktur und Ihre technischen Möglichkeiten. Ziel ist ein praxisnaher, stufenbasierter Reaktionsplan, der auch im Krisenfall funktioniert.
Wir definieren:
- Eskalationsstufen mit konkreten Auslösern und Reaktionen (z. B. „Reduktion um 20 % binnen 6 Stunden“)
- Rollenverteilung, Eskalationsketten und interne Meldewege
- Abläufe für Lastverlagerung, Backup-Nutzung oder geordnete Abschaltung
- Notfallkommunikation (z. B. Muster-E-Mails, Eskalationssheets, Ansprechpartnerlisten)
Wichtig: Unser Konzept ist kein rein technisches Dokument – sondern ein integratives Krisenmanagement-Tool, das Energie, Produktion, IT und Kommunikation miteinander verbindet.
- Meldepflichten & Behördenkommunikation sicherstellen
Ein häufig unterschätzter Aspekt: Im Versorgungsengpass sind viele Unternehmen meldepflichtig – und müssen schnell, formal korrekt und adressatengerecht reagieren.
enexion erstellt alle relevanten Meldeprozesse:
- Wer meldet was an wen – in welcher Form?
- Welche Schwellenwerte gelten z. B. für BNetzA, Netzbetreiber, BAFA, Zoll oder REMIT?
- Wie wird dokumentiert, was gemeldet wurde?
Dazu liefern wir fertige Meldevorlagen, Fristenübersichten und integrierbare Workflows – sodass keine Informationslücke zum kritischen Fehler wird.
- Integration in Energiemanagement & ESG-Struktur
Ein Notfallplan ist kein Einzeldokument – sondern Teil eines modernen, ganzheitlichen Energiemanagements.
enexion sorgt dafür, dass die erarbeiteten Strategien und Prozesse nahtlos in bestehende Systeme eingebettet werden – etwa in ISO 50001-Strukturen, Energiecontrolling-Plattformen oder ESG-Reporting-Prozesse.
Vorteil: Versorgungssicherheit wird so nicht isoliert betrachtet – sondern als Teil eines resilienten, zukunftsfähigen Energiesystems gedacht.
- Übung, Schulung & kontinuierliche Aktualisierung
Ein guter Plan entfaltet nur dann seine Wirkung, wenn er auch gelebt wird. enexion begleitet Ihre Organisation deshalb über den Erstellungsprozess hinaus:
- Durchführung realitätsnaher Simulationen (z. B. „Gasmangel 48h“)
- Training der relevanten Rollen (Schichtleiter, Energiebeauftragte, Krisenstab)
- Checklisten, Eskalationskarten & Sofortmaßnahmen-Sets für operative Teams
- Regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung bei veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen oder Standortstrukturen
So stellen wir sicher, dass Ihr Energie-Notfallplan auch in zwei Jahren noch belastbar ist – und nicht beim ersten echten Test versagt.
Praxisbeispiel: Energie-Notfallplanung in der Chemieindustrie
Die Situation:
Ein international tätiger Hersteller von Spezialchemikalien betreibt mehrere energieintensive Produktionsstandorte in Europa. Die Produktionsprozesse laufen rund um die Uhr, sind hochgradig temperatur- und druckabhängig – und stellen nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sicherheitstechnisch eine hohe Anforderung an die Energieversorgung. Im Zuge der Energiekrise 2022/2023 erhielt das Unternehmen eine Aufforderung der Bundesnetzagentur, kurzfristig einen belastbaren Notfallplan für den Fall einer Gasmangellage vorzulegen. Es ging um mehr als eine Formalie: Die Produktionssicherheit stand ebenso auf dem Spiel wie die Lieferfähigkeit gegenüber strategisch wichtigen Kunden.
Die Herausforderung:
Bei der ersten Bestandsaufnahme zeigte sich rasch: Es gab keinen strukturierten Energie-Notfallplan. Zwar existierten allgemeine Business Continuity-Konzepte, doch diese bildeten die spezifischen Anforderungen an Versorgungssicherheit nicht ausreichend ab. Die Verbrauchsdaten waren über mehrere Systeme und Standorte verteilt, eine Echtzeitüberwachung war nicht vorhanden. Die internen Kommunikationswege zwischen Energieabteilung, Produktion, IT und Compliance waren nicht eindeutig geregelt. Vor allem fehlte eine zentrale Instanz, die im Krisenfall steuernd eingreifen konnte.
Die Lösung:
In enger Zusammenarbeit mit enexion wurde ein strukturierter Projektansatz aufgesetzt. Den Auftakt bildete eine umfassende Standortanalyse: Sämtliche Netzanschlüsse, Lastgänge, Energieverbräuche und Notversorgungsmöglichkeiten wurden erfasst und bewertet. Parallel dazu moderierte enexion einen mehrtägigen Workshop mit allen betroffenen Abteilungen – von der Technik über das Energiemanagement bis hin zur Unternehmenskommunikation. Ziel war es, ein gemeinsames Verständnis der Risiken zu schaffen und die Basis für ein realistisches Notfallkonzept zu legen.
Auf Basis dieser Analyse entwickelte enexion ein dreistufiges Eskalationskonzept: Es reichte von präventiven Maßnahmen im Fall von Frühwarnsignalen über geregelte Lastverschiebungen bis hin zu einem vollständigen Abschaltszenario mit Erhalt kritischer Kernprozesse. Für jede Stufe wurden klare Entscheidungswege, Zuständigkeiten und Meldepflichten definiert – auch in Richtung externer Akteure wie Netzbetreiber und Behörden.
Besonderes Augenmerk lag auf der technischen Umsetzung. enexion unterstützte bei der Integration eines Lastmonitoring-Systems, das nicht nur Echtzeitdaten auslesen, sondern auch Frühwarnindikatoren visualisieren konnte. So konnten Verbrauchsspitzen, Druckabfälle oder Abweichungen im Lastgang frühzeitig erkannt und in das Eskalationsmanagement überführt werden. Gleichzeitig wurde ein digitales Dashboard implementiert, das alle relevanten Daten und Notfallprozesse zentral verfügbar machte – einschließlich automatisch generierter Meldevorlagen für Behörden oder Kunden.
Abschließend wurden alle betroffenen Mitarbeitenden geschult – insbesondere Schichtleitung und technische Einsatzkräfte. In einer realitätsnahen Simulation wurde das Eskalationskonzept getestet und in der Praxis auf seine Belastbarkeit geprüft.
Das Ergebnis:
Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Der Notfallplan wurde von der Bundesnetzagentur in vollem Umfang anerkannt. Das Unternehmen war in der Lage, innerhalb von zwölf Stunden kontrollierte Maßnahmen umzusetzen – ohne die Sicherheit oder die Lieferfähigkeit zu gefährden. Darüber hinaus konnten die Prozesse revisionssicher dokumentiert und in das bestehende Energiemanagementsystem integriert werden. Auch auf ESG-Seite erzielte das Unternehmen einen positiven Nebeneffekt: Die Fähigkeit, im Ernstfall handlungsfähig zu bleiben, stärkte das Vertrauen von Kunden, Geschäftspartnern und Ratingagenturen.
Fazit: Versorgungssicherheit beginnt mit Vorbereitung
Die nächste Krise lässt sich nicht planen – die Reaktion darauf schon.
Versorgungssicherheit ist heute ein integraler Bestandteil von Resilienz und unternehmerischer Verantwortung. Wer vorbereitet ist, kann im Ernstfall nicht nur weiter produzieren – sondern zeigt auch gegenüber Behörden, Kunden und Märkten, dass er professionell agiert.
Wie sieht Ihr aktueller Notfallplan aus – und ist er noch aktuell? Welche Rollen und Prozesse greifen bei Ihnen im Versorgungsengpass – und sind sie dokumentiert?