Energiewende & das geplante Klimaschutz-Sofortprogramm der Grünen

11.08.2021 enexion

Die Grünen, Annalena Baerbock und Robert Habeck wollen in der nächsten Bundesregierung mitwirken. Die beiden Vorsitzenden legen ein dezidiertes Klimaschutz-Sofortprogramm vor, welches in 10 Punkten holzschnittartig die Aspekte erläutert, welche nach ihrer Ansicht für eine erfolgreiche und termingerechte Energiewende bis 2045 notwendig sind. Es fällt auf, dass in Punkt 10 zwar die EU und die andere CO2-hochproduzierende Staaten einbezogen werden sollen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die EU knapp 10% des gesamten, weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortet. Wobei Deutschlands Anteil bei etwa 2% liegt, obwohl der Bevölkerungsanteil an der Weltbevölkerung nur um die 1% liegt. Das liegt in erster Linie daran, dass Deutschland mit seinen Industrien diverse Produkte erzeugt, die weltweit nachgefragt werden. Nicht ohne Grund galt Deutschland lange Jahre als ´Exportweltmeister`. Der im Verhältnis hohe CO2-Ausstoß ist dementsprechend weniger den einzelnen Menschen als Konsumenten geschuldet, sondern Deutschland insgesamt als Lieferant begehrter Güter. Seien es Fahrzeuge, seien es Produkte des Maschinenbaus, der chemischen Industrie oder anderer Industriezweige, seien es Konsumgüter, Deutschlands Produkte sind begehrt.

Deshalb wundert es nicht, dass im Klimaschutz-Sofortprogramm als dritter Punkt – nach ´Erneuerbare ausbauen` & ´Kohleausstieg auf 2030 vorziehen` – bereits „Wirtschaft und Industrie auf Klimaneutralität ausrichten“ aufgeführt wird. Man kommt sofort zur Sache: „Die Bedingungen für Ökostrom-Direktlieferverträge (PPAs) an die Industrie [werden] verbessert und zudem müssen ausreichende Flächen und Netzanbindungen für Offshore-Windindustrie-Projekte bereitgestellt werden.“

Die Grünen „wollen eine gesetzliche Grundlage für Klimaschutzverträge (carbon contracts for difference) schaffen, damit klimafreundliche Investitionen angereizt und abgesichert werden. Im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens mit Kriterien wie CO₂-Minderungspotenzial und Zukunftsfähigkeit werden mit jenen Unternehmen langfristige Klimaschutzverträge abgeschlossen, die die besten Lösungen für CO₂-freie Endprodukte auf den Tisch legen. Damit sichern wir die Phase der Markteinführung neuer Technologien ab, bis die wahren Kosten für klimaschädliche Produktionsweisen endlich abgebildet werden. Finanziert werden die Klimaschutzverträge aus Haushaltsmitteln, etwa im Rahmen des Energie- und Klimafonds, aus dem Förderprogramm Dekarbonisierung der energieintensiven Industrie und dem EU-Innovationsfonds. Gleichzeitig werden wir uns auf europäischer Ebene für Klimaschutzverträge starkmachen.

Außerdem sollen die Spielräume für die Wirtschaft erweitert [werden], damit sie gerade nach der Corona-Krise klimafreundlich investieren. Dafür erweitern wir den steuerlichen Verlustrücktrag und verbessern die Abschreibungsmöglichkeiten im Einkommenssteuergesetz, sodass
Klima-Investitionen auch nach Auslaufen der aktuellen Corona-Sonderregelungen degressiv mit mindestens 25 Prozent abgeschrieben werden können. Die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung stärken wir und beschleunigen die Förderentscheidungen.“

Die genannten Aspekte belegen, dass die Grünen offensichtlich verstanden haben, dass eine Energiewende gegen die Interessen der Industrie, des Gewerbes nicht machbar ist. Wobei ein Halbsatz verräterisch ist: „[…], bis die wahren Kosten für klimaschädliche Produktionsweisen endlich abgebildet werden.“ Irgendwann ist also Schluss mit lustig. Dieses „irgendwann“ mit dem endlich förmlich herbeigesehnt. Wie auch immer, bei der Verfassung des Klimaschutz-Sofortprogramms haben Frau Baerbock und Herr Habeck in Bezug auf die Industrie Kreide gefressen. Erkennbar wird auch, dass mit der Umsetzung der grünen Ideen in Bezug auf Industrie und Wirtschaft bürokratischer Aufwand, vielfältige Analysen, kurz enormer Beratungsbedarf anfällt. Zumal davon auszugehen ist, dass – wie immer – die Antragsverfahren hochkomplex, fehlerträchtig sind.

Ein weiterer Aspekt, der bei der Analyse des Programms sofort in´ s Auge fällt, ist die vorgesehene Einrichtung eines Klimaschutzministeriums. Diesem wird ein Vetorecht in Bezug auf alle Gesetze, die der Bund auf den Weg bringen will, zugesprochen. Immer dann, wenn das Klimaministerium meint, ein geplantes Gesetz sei nicht „Paris-konform“, kann ein Veto verfügt werden. Diese Idee belegt den Hang der Grünen zum Diktatorischen. Nicht im Bundestag, der in der Verfassung festgeschriebenen Exekutive, werden die Debatten über Gesetzesvorhaben geführt. In einem in der Verfassung nicht vorgesehenen Organ, ich nenne es mal „Klimaschutzrat“ befinden nicht legitimierte, weil nicht vom Volk gewählte ´Experten` über eine ´Paris-2015-Konformität`. Sollte diese Konformität nach dem Ergebnis der „Beratungen“ nicht vorhanden sein, kann jedes Gesetzesvorhaben gekippt werden.  Mit einem solchen Verfahren würde am Grundgesetz vorbei eine Instanz geschaffen, die über weitreichende Befugnisse in jedem Politikbereich verfügt. Das ist unter dem Aspekt des Grundgesetzes nicht akzeptabel. Willkür würde Tür und Tor geöffnet.

Bereits erwähnt wurde der Punkt „Erneuerbare ausbauen“. Im Sofortprogramm ist eine Verdreifachung der regenerativen Stromerzeugung geplant. Damit dies erreicht wird, sollen pro Jahr 6 GW installierte Leistung Windkraft- und 12 GW Photovoltaikanlagen zugebaut werden. Um einen Eindruck zu vermitteln, was das in der Praxis bedeuten würde, wurde berechnet, wie viel Strom die 6 GW installierte Leistung Windkraft pro Jahr im Durchschnitt erzeugen würde. Es sind gut 13 TWh. Dafür muss jedes Jahr diese Menge an Windkraftanlagen zugebaut werden.  Das Ergebnis Photovoltaik ist ebenfalls beeindruckend. Die 12 GW installierte Leistung PV ergeben ebenfalls etwa 13 TWh pro Jahr. Um diese 13 TWh im Jahresdurchschnitt zu erzeugen, sind gut 65 Millionen Quadratmeter PV-Fläche notwendig. Jedes Jahr. Ob Frau Baerbock und Herr Habeck das mal durchgerechnet haben, ist zu bezweifeln. Wir jedenfalls haben es und kommen zu dem Ergebnis, dass dieser Punkt reines Wunschdenken ist, welches mit demokratischen Strukturen einer freien Wirtschaft niemals realisierbar ist.

Bleibt die spannende Frage, wie das Stromerzeugungsprofil bei einer angenommenen Verdreifachung – das Ziel der Grünen – der Stromerzeugung durch Wind und PV aussehen würde. Die Stromerzeugung mittels Laufwasser und Biomasse nehmen wir als gleichbleibend an. Da sind Ausbaumöglichkeiten nahezu ausgereizt. In dieser Exceldatei ist das Ergebnis des Jahres 2021 bis zum 1.8.2021 abgebildet. Die tatsächlich erzeugte Strommenge Wind, PV wurde verdreifacht. Man erkennt, dass die Stromerzeugung hochvolatil ist. Das ist insofern relevant, weil eine Speicherung des überschüssigen Stroms in Wasserstoff per Elektrolyse gleichmäßig fließenden Strom benötigt. Ansonsten werden die kostspieligen Stacks, welche für den elektro-chemischen Prozess der Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gebraucht werden, irreparabel geschädigt. Da ist noch viel Forschung nötig, um dieses Problem so zu lösen, dass schwankend anfallender Strom in erheblichen Mengen ökonomisch rentabel in Wasserstoff transformiert werden kann.

Selbstverständlich bekommt im Klimaschutz-Sofortprogramm mit Punkt 6 der Wasserstoff eine eigene, wenn auch kurze Würdigung. „Höchst kostbar und teuer“ sei Wasserstoff. Wasserstoff kommt in der Natur praktisch nur in molekular gebundener Form vor. Es ist Energie nötig, den Wasserstoff in reiner Form zu gewinnen. Der Transport, die Lagerung und die Rücktransformation kosten nochmals viel Energie. Hinzu kommt, dass Wasserstoff sehr „flüchtig“ ist. Insgesamt verbleiben von 100% eingesetztem Strom über Erzeugung und Speicherung sowie der Rücktransformation 25 bis großzügig angenommene 30% des ursprünglich eingesetzten Stroms. Die 100% Strom müssen erneuerbar erzeugt werden. Damit tun sich angesichts der oben aufgezeigten Zahlen zu den benötigten Windkraft- und PV-Anlagen zusätzliche Mengenprobleme auf. Mengen- und Flächenprobleme. Von der notwendigen, aufwendigen Wasserstoff-Infrastruktur ganz zu schweigen.

Was als Klimaschutz-Sofortprogramm daherkommt, ist in wesentlichen Teilen durch ein Wunschdenken gekennzeichnet, welches, wenn überhaupt nur mit knallharten diktatorischen Ansagen und Maßnahmen umgesetzt werden könnte. Einen ersten Ansatz liefert das angedachte Klimaschutzministerium mit einem weitgehenden Vetorecht, welches die verfassungsgemäßen Organe Deutschland faktisch aushebeln würde. Grundgedanke hierfür ist die vermessene Annahme, dass die Grünen den Stein der Weisen in Sachen „Klimaschutz“ gefunden hätten. Dabei fällt ihnen offensichtlich schon das Berechnen rein praktischer Konsequenzen ihrer klimapolitischen Pläne schwer.

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