Energiewende & die Bundesnetzagentur, Politik und Gaswirtschaft

03.06.2022 enexion

Seit 1. März 2022 ist Klaus Müller der neue Präsident der Bundesnetzagentur. Er bekleidet damit einen der Posten mit höchster Verantwortung in Deutschland. „Wir [die Bundesnetzagentur, der Autor] sind die zentrale Infrastrukturbehörde Deutschlands und fördern den Wettbewerb in den Märkten für Energie, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen. So stellen wir die Leistungsfähigkeit der zentralen Lebensadern unseres Landes sicher. Als Verbraucherschutzbehörde wahren wir gleichzeitig die Interessen der Menschen, die Netze nutzen.“ Quelle. Bemerkenswert ist, dass im eben als Quelle ausgewiesen Teil „Über uns“ der Begriff ´Energiewende` nicht einmal verwendet wurde. Wir schließen daraus, dass die Behörde in seiner Grundfunktion die Aufgabe hat dafür zu sorgen, dass die Infrastruktur Deutschlands nicht nur funktioniert, sondern strukturell so ausgerichtet und ausgebaut ist/bleibt, dass Störungen/Ausfälle minimal bleiben und umgehend behoben werden können. Darin liegt u. E.  die wichtigste Verbraucherschutzfunktion der Bundesnetzagentur, egal ob es sich um private, gewerbliche oder industrielle Verbraucher handelt. Unsere Annahme wird dadurch gefestigt, dass eine Durchsuchung der kompletten Webseite der Bundesnetzagentur zum Begriff ´Energiewende` in erster Linie Ergebnisse im technischen und Prüfungsbereich auswirft. Politische Statement gibt es nach unserer Kenntnis keine.

Zu seinem Amtsantritt gab Klaus Müller ein Statement in Form der Beantwortung von vier Fragen ab. Es kann hier aufgerufen werden.

Dass Klaus Möller ein wichtiger Gesprächspartner ist, belegt sein Auftritt bei Sandra Maischberger am 17.5.2022. Der Talk befasst sich unter anderem mit den Auswirkungen eines Gasembargos. Das Interview mit Klaus Müller ist – auch dank der klugen Fragen von Sandra Maischberger – erhellend und ehrlich. Wir teilen nicht unbedingt alle Ansichten von Klaus Müller. Seine Einschätzungen aber sind im großen Ganzen realistisch und nachvollziehbar. Vor allem aber werden keine „Visionen“ zum Besten gegeben. Einige Aspekte möchten wir hervorheben. Das Gas, das in Gasspeichern eingelagert wird, dient der Reserve für schlechte Versorgungszeiten. Es handelt sich zu einem großen Teil um Gas aus Russland. Die ergänzende, Russlands Exporte substituierende Gasversorgung Deutschlands mittels Gas zum Beispiel aus den USA und Katar ist über die jetzt angedachten Schiffstransporte plus Löschmöglichkeiten keinesfalls ausreichend. Die normalen Bürger und leider auch viele Politiker machen sich – ähnlich wie beim Strom – über die Mengen Gas, die das Industrieland Deutschland benötigt, um die Produkte herzustellen, die weltweit nachgefragt werden. Auch sollte bedacht und hinterfragt werden, ob Rohstoffimporte – es handelt sich nicht nur um Gas und Öl – aus dem Land eines Autokraten (Russland/Putin) durch Importe aus anderen Autokratien (Katar, Nordafrika, China, Saudi-Arabien und viele mehr) ersetzt werden sollten. Saudi-Arabien, das einen erheblichen Teil des Rohöls liefert, welches Deutschland benötigt, führt seit Jahren einen mörderischen Krieg im Jemen. Dennoch halten wir es für richtig, dass die Ölimporte stattfinden. Denn Deutschland benötigt neben Rohöl und Erdgas, Kohle und Braunkohle viele andere Rohstoffe, die oft eben in der Erde autokratischer Staaten – die meisten Staaten werden weltweit autokratisch geführt – liegen. Wollte Deutschland nachhaltig auf Rohstoffe aus autokratisch geführten Länder verzichten, fiele es zurück in einen Agrarstaat. Es wäre das Ende des Industriestandorts Deutschland. Dass nunmehr Russland abgestraft wird, hat weniger mit Menschenrechten und Menschenfreundlichkeit des Westens zu tun, sondern mit machtpolitischen und wirtschaftlichen Interessen diverser Akteure.

Nun zum Interview von Sandra Maischberger mit Klaus Müller vom 22.5.2022, welches hier auch per Audiodatei gehört werden kann.

Quelle

Bevor der Punkt „Politik und Gaswirtschaft“ Thema wird, möchten wir Ihnen ein Beispiel für Visionen geben, welche oben angesprochen wurden. Klima- und Wirtschaftsminister hat dem Deutschlandfunk am 23.5.2022 ein Interview gegeben. Er weilte bereits in Davor bei Weltwirtschaftsforum dieses Jahres. Das Interview ist deswegen relevant, weil es die aktuelle politische Linie und die Einschätzung der Bundesregierung in Sachen Wirtschaft, Klima und Globalisierung veranschaulicht. Stichwort „Globale Solidaritätsgemeinschaft“.

Quelle

„Alles auf Ökostrom?

Mit diesem Plan verschreckt das grün geführte Wirtschaftsministerium die Gas-Wirtschaft. […] Obwohl weder der Atom- noch der Kohleausstieg bewältigt sind, verlangte der energiepolitische Chefplaner der Regierung, es sei jetzt ´Aufgabe der Stadtwerke, den Rückbau der Gasverteilnetze zu planen`. Seither herrscht in der Energiewirtschaft Alarmstimmung.“*

Dr. Patrick Graichen, ehemals Chef von Agora-Energiewende, positioniert sich als Staatssekretär in Habecks Klima- und Wirtschaftsministerium vollkommen anders als Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller. Patrick Graichen, macht, so sieht es jedenfalls aus, den zweiten Schritt vor dem ersten. Die Energieversorgung ist bisher ohne Russlands Gas alles andere als gesichert. Ob andere Energieträger, zum Beispiel Kohle Gas umfassend ersetzen könnte, darf nicht nur bezweifelt werden. Es ist einfach Unfug. Also wird Gas, woher auch immer es kommen mag, in jedem Fall benötigt. Und zwar weiterhin in gigantischen Mengen. Daher ist es kaum verwunderlich, dass die Forderung nach der Planung des Rückbaus der Gasnetze die „Energiewirtschaft in Alarmstimmung“ versetzt. Hatte man doch bisher fest damit gerechnet, dass der Energieträger Gas als ´Brückentechnologie der Energiewende` genutzt werden soll. Hinzu kommt, dass die bestehenden Leitungen nach Meinung der Politik später auch als Verteiler von grünem Wasserstoff (h2ready) genutzt werden sollen.

„Bei den Gasverteilnetzen, die Graichen alsbald zum Rückbau, vulgo Abriss, freigeben will, handelt es sich um das Rückgrat der Energieversorgung. Das Rohrleitungssystem von rund 500.000 Kilometer Länge und einem Wiederbeschaffungswert von 270 Milliarden Euro versorgt 20 Millionen Menschen und 1,6 Millionen Industriebetriebe. […] Das alles jedoch hat aus Sicht des Staatssekretärs keine Zukunft. „Natürlich ist im Jahre 2045 kein Gas mehr in den Netzen“, sagte Graichen. Schließlich soll das Land bis dahin dekarbonisiert sein. Die Röhren mit klimaneutralem Wasserstoff zu füllen, hält der frühere Chef der Denkfabrik Agora Energiewende für ´Träumerei`.“* Wobei der letzte Gedanke (die „Träumerei“) einen realistischen Hintergrund hat. Wasserstoff, auch grüner Wasserstoff ist sehr flüchtig. Um Wasserstoff zu lagern und/oder zu transportieren sind erheblich dichtere Anlagen notwendig als die aktuell für Gas vorhandenen.

Die Gaswirtschaft hat den Verdacht, dass Habecks Klimaministerium vor allem die strombetriebene Wärmepumpe pushen will. Der Vorstoß Graichens ist unseres Erachtens ein Versuchsballon zwecks Eruierung der Reaktionen, des Widerstands der Industrie und dessen Ernsthaftigkeit. Dabei ist Wasserstoff, so er denn ´grün` mittels Wind- und PV-Strom erzeugt wurde, der Energieträger, der überschüssigen grünen Strom speichern könnte. Diesen Überschuss gibt es zwar noch nicht; es wird ihn in den nächsten Jahrzehnten ebenfalls nicht geben. Denn aktuell liegt die grüne Stromerzeugung Deutschlands insgesamt bei gut 40%. Im Jahr 2021 waren es gemäß der Datenquelle Smard Bundesnetzagentur, welche für das Factsheet zur Energiewende genutzt wird, bezogen auf die Stromproduktion 43,4%, bezogen auf den Strombedarf 42,4%.

Im ersten Quartal 2022 war die Windstromerzeugung wesentlich stärker als im ersten Quartal 2021. Deshalb liegt 2022 der jeweilige Anteil der regenerativen Stromerzeugung bis zum 1.4.2022 entsprechend höher und erreicht knapp die 50% – Marke beim Strombedarf. Der Trend hat sich gehalten. Bis zum 21.5.2022 werden beim Strombedarf 50,2 %  regenerativer Anteil erreicht. Dies, obwohl es lange Flautenzeiten gab.

Ein gut 50% – Anteil ist nur die Hälfte des aktuellen Strombedarfs netto. In Zukunft aber soll die komplette Energiewirtschaft auf Strom umgestellt werden. Dann wird an Stelle des aktuellen Strombedarfs mindestens die dreifache Menge Strom benötigt. Diese Strommenge, die kaum ein Politiker oder Bürger real in seinem Volumen einschätzen kann, mittels Windkraft- und PV-Anlagen herzustellen, ist in den von Herrn Habeck und anderen Politikern angedachten Zeiträumen (2045 ist Deutschland klimaneutral!) ein praktisch unmögliches Unterfangen. Es sind weder die materiellen Ressourcen noch die Fachkräfte in ausreichendem Maß verfügbar bzw. vorhanden. Hinzu kommt, dass in diesem Artikel nur von Deutschland die Rede war. Eine globale Umstrukturierung der Energieversorgung erfordert viel mehr als die von Robert Habeck im Interview oben angesprochene „globalisierte Solidarisierung“. Es wären gewaltige Anstrengungen auch von Ländern notwendig, die heute froh sind mit fossilen Energien und Kernkraft ökonomisch einigermaßen über die Runden zu kommen und das bisher erarbeitete Wohlstandsniveau langsam zu mehren. Wohlstandsverluste, wie sie aktuell in Deutschland zu erwarten sind, sind den Menschen in diesen Ländern kaum zu vermitteln.

*Quelle der Zitate im letzten Teil „Alles auf Ökostrom“

 

 

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