Energiewende und der Koalitionsvertrag der Ampel in Sachen Klima

17.12.2021 enexion

Katrin Büüsker meint am 25.11.2021 in ihrem Dlf-Kommentar: „Klimaschutz als Querschnittsaufgabe verstehen und in allen politischen Bereichen durchdeklinieren – das war das Ziel, welches vor allem die Grünen mit in diese Koalitionsverhandlungen gebracht hatten. Und das Ergebnis wird diesem Anspruch gerecht.“  Allerdings wird Verantwortung auch auf den Bürger, die Gesellschaft, die Wirtschaft geschoben. Denn jeder muss schließlich mitmachen und/oder zumindest das Geplante mittragen: „Die Ampel-Koalitionäre geben damit ein neues Zukunftsversprechen – eines, das die Dekarbonisierung als Chance begreift, die unser Land wirtschaftlich voranbringen kann, das Möglichkeiten für den und die Einzelne bietet, wenn wir gemeinsam anpacken (Quelle).“ Es ist schon bemerkenswert, wie neben der Bekämpfung der Corona-Krise auch im Bereich „Klima“ Gemeinsamkeit eine Rolle spielen muss und soll. Damit wird medial das Feld bereitet, dass diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer nicht im Sinn der Regierung mitmachen oder auch nur eine tiefergehende Diskussion wünschen, aus der Gemeinschaft ausschließt. Der sehr oft vorgebrachte Gedanke „Folgt der Wissenschaft“ fordert diese Debatte durchaus nicht heraus. Es wird angenommen, dass es so etwas wie DIE WISSENSCHAFT gäbe, welche eindeutige Ergebnisse liefere, mit denen korrekte Handlungsanweisen zuverlässig abgeleitet werden könnten. Das ist ein Wissenschaftsbegriff, der in einer Demokratie wenig angemessen ist. In einer pluralistischen Gesellschaft ist Debatte, ist der Disput, ist der Kampf mit Argumenten für eine Sache zentraler Bestandteil der politischen Kultur. Daraus folgt zwangsläufig, dass auch Wissenschaft vom Diskurs lebt, in dem es keine abweichenden Meinungen gibt, sondern eine Vielfalt von Erkenntnissen, die diskutiert und bewertet werden. Der Ampel- Koalitionsvertrag tendiert im Bereich Klima eher in die Richtung der Wissenschaft, die weiß, wo es langgeht: CO2 verursacht den Klimawandel, des halb muss CO2 reduziert werden. Koste es, was es wolle

Der Teil des Koalitionsvertrages (Alle Zitate ohne eigene Quellenangabe sind diesem entnommen), der sich mit dem Bereich „Klimaschutz in einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft“  beschäftigt, umfasst mehr als 20 Seiten und besteht zu einem großen Teil aus Ankündigungen und Zusagen. Für Wirtschaft und Industrie Wirtschaft und Industrie ist „… mehr Innovation, mehr Wettbewerbsfähigkeit, mehr Effizienz, gute Arbeit und klimaneutralen Wohlstand …“ vorgesehen.  „Dafür brauchen wir ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen und mehr Tempo. Unser Ziel ist eine sozial-ökologische Marktwirtschaft.“ Um das zu erreichen, wollen die Koalitionäre in „… ausreichendem Maße geeignete Instrumente schaffen, beispielsweise Carbon Contracts for Difference (Klimaverträge, CCfD), um so auch insbesondere die Wirtschaftlichkeitslücke zu schließen. Hinzu soll … die Einführung eines europaweit wirksamen CO2-Grenzausgleichsmechanismus oder vergleichbar wirksame Instrumente …“ kommen: „…Entscheidend ist, dass dieser WTO konform ausgestaltet ist, die Exportindustrie nicht benachteiligt, Greenwashing verhindert und unbürokratisch innerhalb des bestehenden Emissionshandelssystems umgesetzt wird.“ Im Bereich „Wasserstoff“ wird sich vorgenommen, die „… eine Europäische Union für grünen Wasserstoff …“ zu gründen: „Dazu wollen wir das IPCEI Wasserstoff schnell umsetzen und Investitionen in den Aufbau einer Wasserstoffnetzinfrastruktur finanziell fördern. So wollen wir bis 2030 Leitmarkt für Wasserstofftechnologien werden und dafür ein ambitioniertes Update der nationalen Wasserstoffstrategie erarbeiten.“ Zu diesem Zweck sieht der Koalitionsvertrag vor, in Deutschland bis 2030 Elektrolyseure mit einer Leistung von 10 GW zu bauen. Das ist eine ganze Menge. Aber die deutsche Wirtschaft, die deutsche Industrie benötigt dringend grünen Wasserstoff, um fossile Energieträger zügig durch grüne zu ersetzen. Thyssenkrupp hat in der Vergangenheit diese 10 GW mit insgesamt 600 Projekten vor allem wohl im Forschungsbereich realisiert. „Eine Wasserstofffabrik mit 2000 Megawatt Leistung für fünf Milliarden Euro ist in Neom vorgesehen. Der saudische Energiekonzern ACWA Power und der US-Konzern Air Products sind an dem Bau beteiligt, genauso wie eine Tochter von Thyssenkrupp“ (Quelle). Zwei GW für fünf Milliarden Euro. Das ist schon mal eine Hausnummer. Da ist der in Saudi-Arabien erzeugte Wasserstoff noch nicht in Europa. Die Koalition will daher die besagten 10 GW in Deutschland herstellen. Oder ist doch ganz Europa vorgesehen: „Wir wollen eine Elektrolysekapazität von rund 10 Gigawatt im Jahr 2030 erreichen. Dies werden wir u. a. durch den Zubau von Offshore-Windenergie sowie europäische und internationale Energiepartnerschaften sicherstellen. Dazu ist ein engagierter Aufbau der notwendigen Infrastruktur erforderlich. Dafür werden wir die notwendigen Rahmenbedingungen einschließlich effizient gestalteter Förderprogramme schaffen und insbesondere auch die europäische Zusammenarbeit in diesem Bereich stärken.“ Entscheidend ist in jedem Fall, dass der Strom für den Betrieb der Elektrolyseure klimaneutral, sprich regenerativ hergestellt werden muss. Am besten geeignet sind da in der Tag Offshore-Windkraftanlagen (WKA) mit mindestens 7 Megawatt (MW) Nennleistung. Mit einem Wirkungsgrad von 43% (Offshore-WKA etwa 21%) ist damit die beste Grünstromausbeute möglich. Für den Betrieb der 10 GW Elektrolyseanlagen wären gut 87 Terawattstunden (TWh) Strom notwendig, erzeugt von 3.329 WKA à 7 MW auf See. Diese Anzahl WKA müsste neben den Elektrolyseanlagen bis 2030 erstellt werden. Die EU gibt wahrscheinlich vor, dass nur speziell für die Wasserstofferzeugung gebaute Anlagen auch hierfür genutzt werden dürfen. Regenerativ erzeugter Strom für die Allgemeinheit würde sonst in großem Umfang für industrielle Zwecke kannibalisiert. Bei einem angenommen Wandlungsverlust Strom zu Wasserstoff von 35% würden 1,7 Millionen Tonnen Wasserstoff erzeugt. Dieser Wasserstoff zurück gewandelt in Strom mit nochmals 35% Verlust ergäben etwa 37 TWh.  Von den knapp 88 TWh Ursprungsstrom blieben unter dem Strich 43% (Berechnungsnachweis). Wobei die jeweils 35% Wandlungsverluste positiv eingeschätzt sind. Jede Wandlung kostet wertvolle regenerativ erzeugte Energie. Auch wenn geplant ist, anfallende Abwärme in Fernwärmesystemen zu nutzen: Es sollte in jedem Fall das Ziel sein, regenerativ erzeugten Strom direkt als Strom zu nutzen und Wandlungsprozesse zurück zu Strom so weit wie möglich zu vermeiden. Insgesamt ist die im Koalitionsvertrag bis 2030 angedachte Wasserstoffstrategie sehr ambitioniert. Auch wenn die genehmigungsrechtlichen und sonstigen Vorgaben minimiert würden, auch wenn genügend Fachkräfte und Material-Ressourcen zur Verfügung stünden. Was nicht der Fall ist. Mit Geld allein, egal ob tatsächlich vorhanden, gedruckt oder geliehen, lässt sich das nicht realisieren.

Die Transformation der Automobilindustrie von fossil auf batterieelektrisch sieht vor, dass bis 2030 15 Mio. Fahrzeuge in Deutschland zugelassen werden sollen. Damit wäre knapp ein Drittel der heute insgesamt zugelassen Fahrzeuge im PKW-Bereich batterieelektrisch ersetzt. Hybrid-PKW zählen dabei nicht mit. Die Koalition will nur noch Fahrzeuge, die einen wirklichen Nutzen für den Klimaschutz haben, in weiterer Zukunft fördern. Im November 2021sind etwa 557.000 (Oktober 517.000 plus November 40.000) batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) zugelassen. Blieben bis 2030 noch gut 14,4 Mio. Fahrzeuge. Wobei ein im gleichen Zeitraum die Ladesäulen-Infrastruktur so ausgebaut werden muss, damit die in der Reichweite trotz aller Fortschritte doch eher schwachen BEV immer rechtzeitig und in angemessener Zeit nach- oder auf geladen werden können. Vor allem die Ladesäulenstruktur in den Städten muss großzügig ausgebaut werden. Ein Parkplatz ohne Lademöglichkeit ist in Zukunft kein Parkplatz mehr. Dort ist der Ausbau notwendig. Sonst kaufen Stadtbewohner keine BEV. Dann würden die 15 Mio BEV doch in weite Ferne rücken. 15 Mio, die ohnehin sehr, sehr ambitioniert sind.

Nach diesem Einschub zurück zu Wirtschaft und Industrie. Immerhin soll der finanzielle Mehraufwand im Rahmen der Transformation auf CO2-freie Produktion durch gedeckelt und die Abwanderung von Industrie verhindert werden: Wir fördern regionale Transformationscluster und werden strukturschwache Regionen unterstützen. Wir
erarbeiten eine Industriestrategie, die in Verbindung mit dem European Green Deal in eine
europäische Lösung eingebettet ist und durch geeignete Maßnahmen Carbon Leakage verhindert. Um unsere heimische Industrie, insbesondere die Grundstoffindustrie, zu unterstützen, werden wir in dem für die Erreichung der Klimaziele ausreichendem Maße geeignete Instrumente schaffen, beispielsweise Carbon Contracts for Difference (Klimaverträge, CCfD), um so auch insbesondere die Wirtschaftlichkeitslücke zu schließen.“

Hinzu soll im Rahmen eines mit der EU organisierten Klimaclubs für alle Staaten der Welt ein vereinheitlichter Emissionshandel mit einem CO2-Mindestpreis geschaffen werden. Ob Indien, China, Russland oder die USA da mitmachen werden, bleibt abzuwarten.

„Die Bundesregierung wird dafür Sorge tragen, dass die Wirtschaft wettbewerbsfähige Strompreise für Industrieunternehmen am Standort Deutschland unter konsequenter Nutzung der eigenen Potenziale Erneuerbarer Energien bekommt, die sie auf dem Weg in die Klimaneutralität braucht.“ Das ist ein wichtiges Versprechen. Angesichts der aktuell horrenden Strompreise und der weiteren Verknappung des Angebots – 2022 fallen gut 30 TWh Strom aus Kernkraft weg – wird es schwer das umzusetzen. Immerhin, die Ampel weiß, wo die wesentlichen Punkte für die weitere wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands liegen.

Selbstverständlich hat die Ampel in Sachen Strom und Versorgungssicherheit weitgehende und konkret benannte Pläne. Kernkraft bleibt außen vor. Windkraft und Photovoltaik sollen und müssen es vor allem Anderen richten. Wasserkraft, Biomasse, Geothermie und andere spielen aktuell und können in Zukunft nur eine untergeordnete Rolle spielen. Der Koalitionsvertrag benennt in erster Linie die Ziele für den Ausbau von Wind- und PV-Anlagen bis zum Jahr 2030. Ob die Vorhaben realistisch

Die Koalitionäre nehmen an, dass im Jahr 2030 680 bis 730 TWh Strom insgesamt benötigt werden. Für unsere Kalkulation wählen wir das Mittel, also 715 TWh/Jahr. Davon sollen 80% regenerativ hergestellt werden. Das wären 572 TWh. Vorgegeben werden 200 GW PV-Strom. Der Rest soll per Windkraft erzeugt werden. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 256 TWh Strom regenerativ erzeugt. Biomasse und Wasserkraft trugen 66 TWh aus gut 12 GW installierter Leistung (IL), Windkraft on- und offshore insgesamt 130 TWh aus 64 GW IL und die Photovoltaik 60 TWh aus 58 GW IL bei. Weil Biomasse und Wasserkraft faktisch kaum noch ausbaubar sind, müssen PV und Windkraft so erweitert werden, dass das Ziel 2030 unter Anrechnung der bereits bestehenden Anlagen erreicht werden kann.  Um die 80% von 715 TWh = 572 TWh im Jahresdurchschnitt per Windkraft und PV erzeugt inklusive der bereits vorhandenen Erzeugung herstellen zu können, müssen Anlagen gebaut werden, die im Bereich Windstrom 169 TWh erzeugen, im Bereich PV 147 TWh. Die zusätzliche PV-Stromerzeugung ist so kalkuliert, dass insgesamt die 200 GW installierte Leistung bis zum Jahr 2030 erreicht werden. Tabellarisch sieht das so aus:

Die Übersichten zur Anzahl der WKA, die bis 2030 gebaut werden müssten sowie die Anzahl der Quadratmeter PV-Fläche, die noch installiert werden müssten, um die Ziele des Koalitionsvertrages zu erreichen. Selbstverständlich zusätzlich zur ganz oben errechneten Menge Offshore-WKA zwecks Wasserstofferzeugung :

Die Berechnungen der Tabelle oben inkl. Anzahlberechnungen WKA/PV können Sie in dieser Excel-Tabelle nachvollziehen.

Zum Schluss noch eine Kurz-Übersicht über die Themen Wirtschaft, Industrie, Klima als PDF.

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