Energiewende und der Russland – Ukraine Konflikt

02.03.2022 enexion

Mit dem Einmarsch russischer Truppen in das Staatsgebiet der Ukraine am 24.2.2022 wurde ein neues Kapitel im Verhältnis des Westens zu Russland aufgeschlagen. Mit sicher weitreichenden Konsequenzen für viele Bereiche in Politik und Wirtschaft. Weil Russland für Deutschland Hauptlieferant für fossile Brennstoffe ist, ist die Aussage von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer auf WELTonline richtig: „´Die gesamte Energiewende wird damit schlagartig einem Realitätscheck und einem Stresstest unterzogen´, sagte Kretschmer WELT. Die Bundesregierung müsse jetzt schnell entscheiden, was kurzfristig und was langfristig zu tun ist. ´Und das Langfristige darf nicht wieder übermorgen geändert werden. Ein vorgezogenes Ausstiegsdatum für die Kohleverstromung verbietet sich.`“  Wobei der Ausstieg aus der Kohleverstromung  das Abschalten von Kohlekraftwerken meint. Der energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kruse, geht noch einen Schritt weiter: „´Ich meine, wir wären klug beraten, den Rückbau von modernen Grundlastkraftwerken wie dem Kraftwerk in Hamburg-Moorburg auszusetzen, um genügend energiepolitische Handlungsoptionen zu haben.` Der Plan für einen vollständigen Ausstieg aus der Kohleverstromung sei ´ambitioniert` und hänge ´vor allem am beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien`.“ Wobei Herr Kruse verkennt, dass ein Reaktivieren zum Beispiel des hochmodernen Kohlekraftwerks Moorburg allein aus Brennstoff- und Personalmangel schwer zu realisieren sein wird. Faktisch unmöglich wird das Vorhaben wegen bereits eingeleiteter Verkaufs- und Rückbaumaßnahmen. Die Idee, dass ein beschleunigter Ausbau sogenannter ´erneuerbarer Energien`, gemeint sind wohl Windkraftwerke und PV-Anlagen, den Kohleausstieg ermöglichen würde, zeugt von naturwissenschaftlicher Naivität. Die allerdings ist in weiten Teilen der verantwortlichen Politik vorherrschend.

Ein Blick auf die Werte der ersten 360 Tage des Jahres 2021 verdeutlichen das Problem. Sogar mit einer angenommenen Verdoppelung der Stromerzeugung mittels Wind- und Solarkraft hätte die regenerative Stromerzeugung nur an 74 Tagen ausgereicht, um den durchschnittlichen Bedarf pro Tag zu decken. 122 TWh Strom wären zusätzlich nötig gewesen. Lediglich 9 TWh Strom wären „zu viel“ erzeugt worden. Selbstverständlich ist es einfach zu behaupten, dann müssten eben noch mehr regenerative Anlagen gebaut werden. Doch allein die Verdoppelung wird ein Kraftakt, der erstmal bewältigt sein will und viele Jahre dauern wird. Hinzu kommt, dass z. B. bei einer angenommenen Verdreifachung und starkem Wind, wie zum Beispiel in den vergangenen Wochen, …

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… so viel überschüssiger Strom anfällt, dieser entweder mit Bonuszahlungen an die Abnehmer in europäischem Ausland abgegeben oder aber in Massenspeichern mit Wasserstoff gespeichert werden muss. Massenspeicher, Wasserstoffinfrastruktur, Elektrolyseure, Brennstoffzellen im notwendigen industriellen Maßstab sind trotz des permanenten Geredes vom „Wasserstoffhochlauf“ in der Politik blanke Utopie. Neben der weitergehenden Elektrifizierung des deutschen Energieversorgungssystems und dem damit steigenden Strombedarf, gibt es immer wieder lange Phasen, in denen die regenerative Stromerzeugung gering ist und eine Verdreifachung auch bei heutigem Bedarf zu großen Teilen nicht ausreicht. Die Übersicht der regenerativen Stromerzeugung vom 1.1.2021 bis 31.12.2021 macht dies offensichtlich:

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Der aktuell starken Windstromerzeugung dieser Tage werden sicher Flautenzeiten folgen.

Wegen der Volatilität der regenerativen Stromerzeugung ist ein Zusammenführen von Bedarf und Erzeugung dauerhaft praktisch unmöglich. Wobei sich das Problem immer mehr verschärft, desto mehr regenerative Stromerzeugungsanlagen ihren Strom ins Netz einspeisen. Solange es keine Massenspeicher bei gleichzeitiger Anhebung der regenerativen Stromerzeugung gibt – man schätzt auf das bis zu achtfache der aktuellen Erzeugung -, solange wird die Energiewende immer ein sehr teures Vabanque-Spiel bleiben. Was das praktisch (Kosten, Landschaft, Flora, Fauna usw.) bedeutet, ob der Bürger bereit ist, das mitzutragen, sei dahingestellt.

Deutschland bezieht 50% der benötigten Kohle aus Russland. Fällt diese ganz oder teilweise weg, dann ist es keine Frage der Anzahl in Deutschland vorhandener Kohlekraftwerke, sondern des verfügbaren Brennstoffs, ob Strom erzeugt werden kann oder nicht. Aber auch, ob industrielle Prozesse stattfinden können. Fossile Stromerzeugung, fossile Industrieproduktion wird damit faktisch ebenso ´volatil` wie die Stromproduktion mittels Windkraft und Photovoltaik. Vor allem dann, wenn man die Gas-Stromerzeugung mit einbezieht. 55% des von Deutschland benötigten Gas´ wird ebenfalls von Russland geliefert. Gas aber soll nach den Plänen der Ampel Brückentechnologie sein. Wenn die Gasversorgung aus Russland ebenfalls ganz oder teilweise wegfällt, wird der noch zu bauende und für die Energiewende unabdingbare Gas-Backup-Kraftwerkspark Makulatur. Dass Deutschland etwa ein Drittel seines Mineralölbedarfs ebenfalls von Russland bezieht, sei am Rande erwähnt, aber nicht weiter kommentiert.

Werfen wir stattdessen einen Blick auf eine Rede und eine Aussage von Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck, der bei Amtsantritt bestimmt nicht erwartet hat, dermaßen hart mit der Realität konfrontiert zu werden. Nicht nur im Bereich „Energiewende“ an sich, sondern auch mit einer außenpolitischen Lage, die den mittlerweile grundsätzlich pazifistisch eingestellten Deutschen, den „grünen“ Deutschen sowieso, vor schwere Probleme stellt. In der kurzfristig angesetzten Regierungserklärung plus Aussprache  zum Russland-Ukraine Konflikt am 27.2.2022 sagte Robert Habeck:

Die Rede ist ein Dokument des zügigen Wandels eines Mannes von der Friedenstaube zum Befürworter einer militärischen Unterstützung für die Ukraine. Zumindest, indem sogenannte Defensivwaffen aus Deutschland in die Ukraine geliefert werden. Robert Habeck weiß um die damit verbundene, um die sehr wahrscheinliche Verschärfung und Verlängerung der Auseinandersetzung. Er weiß um die Gefahren, die Deutschland drohen, wenn Russland seine Energielieferungen einschränkt und/oder einstellt. Was er nicht wahrhaben will, ist die Tatsache, dass Russland auf keinen Fall die Ukraine verloren geben kann, verloren geben wird. Jede westliche Einmischung in den Konflikt verschärft und verlängert diesen.  Das Ergebnis wird am Ende in jedem Fall eine Ukraine sein, die im Einflussbereich Moskaus liegen wird. Die Ukraine darf und wird kein Vorposten des Westens inkl. NATO-Mitgliedschaft an der Grenze Russlands werden. Deshalb der Einmarsch Putins in die Ukraine. Ein Stellvertreterkrieg ´Westen gegen Russland` in der Ukraine wäre brandgefährlich und würde die Gefahr einer nuklearen Auseinandersetzung in Reichweite bringen. Allein die im Verhältnis zur NATO geringen Rüstungsausgaben Russlands lassen vermuten, dass das Land ein keinesfalls konventionell in der Lage ist, gegen den Westen, gegen die NATO zu bestehen. Deshalb sollte der Westen, sollte Deutschland alles dafür tun, dass es zu keiner Ausweitung des Konfliktes kommt. Die Systemfrage, die Robert Habeck stellt, ist höchst gefährlich. Was Habeck hier sagt, hört sich ´gut` an, hat aber mit Realpolitik nicht viel zu tun. Ein Umsturz in Russland ist undenkbar. Gerade in Krisenzeiten rücken die Menschen zusammen. Daran ändern auch die vom von bundesdeutschen Medien immer wieder hervorgehobenen Demonstrationen und Verhaftungen in 50 Städten Russlands nichts.

Robert Habeck beschreibt mit schönen Worten, was die Bundesregierung tun will, um die drohenden, um die wahrscheinlich kommenden Energieengpässe zu bewältigen. Leider werden es schöne Worte bleiben. Von nichts kommt nichts. Das gilt für Wind und Sonne, das gilt in Zukunft auch für fossile Energieträger, die, weil nicht vorhanden, kaum verfeuert werden können. Statt auf eine schnelle Beendigung des Konflikts zu hoffen, statt an die Zeit danach zu denken, meint Robert Habeck, Mitglied der aktuellen Bundesregierung diesen Satz zu sagen zu müssen:

„Und sollte Russland mutwillig diese Versorgung kappen, dann ist die Entscheidung natürlich getroffen, dann werden die nie wieder aufgebaut werden. Ich denke, das weiß der Kreml auch, das weiß Putin auch, deswegen wäre das tatsächlich der letzte Schritt, der ansteht. Aber dann wäre es auch ein finaler Schritt.“

Diplomatie sieht u. E anders aus. Deutschland ist von russischen Rohstoffen abhängig. Russland kann und wird sein Gas, seine Kohle, sein Erdöl nach Fernost verkaufen und dort in jedem Fall Abnehmer finden.  Russland ist am Ende des Tages kaum auf Deutschland angewiesen. Sehen und hören Sie das Interview mit Robert Habeck, welches im Bericht aus Berlin vom 27.2.2022 von Tina Hasselt geführt wurde, aus dem das Zitat oben stammt:

 

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