Energiekrise & Kalte Dunkelflaute

28.12.2022 enexion

Am Dienstag, den 29.11.2022 begann die „Kalte Dunkelflaute“. Das ist ein Zeitraum, in dem die Erzeugung von Strom über Windkraftwerke und PV-Anlagen sehr stark eingeschränkt ist. Hier ein kurzes Statement von Klimaforscher Joachim Schellnhuber im Bericht aus Berlin vom 13.11.2017, in dem er die Gefahr der kalten Dunkelflaute für die Stromversorgung Deutschlands als recht gering einschätzt:

Selbstverständlich konnte der Professor nicht ahnen, dass die Versorgung Deutschlands mit preisgünstigem Gas ab 2022 zum Problem werden könnte. Und tatsächlich, trotz der herrschenden Dunkelflaute ist es nicht zu weitreichenden Stromausfällen gekommen. Die Stromerzeugung mittels konventioneller fossiler Kraftwerke & Strom aus drei Kernkraftwerken stellte die bedarfsgerechte Versorgung Deutschlands sicher.

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In der Tat liefern die Gaskraftwerke mit 6.577 GWh den meisten Strom im Dunkelflauten – Zeitraum. Braun- und Steinkohlekraftwerke (5.533 GWh plus 6.041 GW) erzeugen insgesamt 11.574 GWh Strom. Die Wind- und PV-Stromerzeugung sah so aus:

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Der regenerative Beitrag zum Bedarf von 25,622 GWh beträgt 23,4% (5.986 GWh). In diesem Prozentsatz ist der Strom der Energieträger Laufwasser und Biomasse enthalten.  Rechnet man diese heraus, beträgt die Gesamtstromerzeugung Wind- und Solarkraft 13,3% (3.405 GWh) im Durchschnitt des Zeitraums. Netto-Stromimporte (rote Felder) sind im Betrachtungs-Zeitraum nur wenige nötig. Dafür exportiert Deutschland eine Menge überschüssigen konventionellen Strom nach Frankreich (1.382 GWh).

Die Struktur der Strompreise für den Betrachtungszeitraum bildet dieser Chart ab. Außerdem trennt er sehr übersichtlich die regenerative Stromerzeugung von der konventionellen. Die 100%-Linie ist der Bedarf:

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Der Strompreis liegt nach der kurzen Niedrigpreisphase vom 17.10.2022 bis zum 11.11.2022 (Grund: Kanzlermachtwort*) wieder in astronomischer Höhe. Mit durchschnittlichen 360€/MWh und einem Höchstpreis von 665€/MWh wurde das Vormachtwortniveau bereits wieder erreicht. Und bemerkenswerterweise wurde mit dem niedrigsten Preis von 119€/MWh exakt der Durchschnittsstrompreis von 119€/MWh für den Zeitraum vom 17.10. bis zum 11.11.2022 getroffen. Der Chart zeigt aber auch, dass vom 2.12. bis zum 9.12.2022 eine stärkere Volatilität der regenerativen Stromerzeugung vorlag. Die Auswirkungen werden im nächsten Abschnitt erläutert. Die Quelle der Werte und Berechnungsgrundlagen oben sowie viele weitere Informationen finden Sie hier.

Der nächste Chart zeigt alle Stromerzeugungskomponenten im Detail:

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Ebenfalls, aber nicht ganz so gut zu erkennen ist der Sachverhalt, dass überschüssiger Strom (Bereich über der orangenen Bedarfsline) vor allem im Zeitraum vom 2. 12. bis zum 9.12.2022 anfällt. Wichtig: Auch wenn es im Chart anders aussieht. Es ist nicht der regenerativ erzeugte Strom, der exportiert wird. Der konventionelle Strom wird dem regenerativ erzeugten faktisch „hinterher“ erzeugt.  Der konventionelle Strom schließt immer die Lücke zwischen dem vorhandenen regenerativen Strom und dem Bedarf. Weil der Strom aus Wind- und Solarkraft oft – wie im aktuellen Betrachtungszeitraum – volatil ist, ist es für die Ingenieure und Techniker, nicht zu vergessen die Kraftwerksmeister – sehr anspruchsvoll, die Stromproduktion so zu steuern, dass es möglichst gut „passt“. Es kommt jedoch immer wieder zu meistens „ungewollten“ Strom-Übererzeugungen und – wesentlich seltener – zu meistens ökonomisch begründeten und vor allem im Sommer beabsichtigten Strom-Mindererzeugungen. Im Herbst und Winter kommt es bei volatilen Erzeugungszeiten mit generell hohem Bedarf in Europa zu einer zeitweiligen Strom-Überproduktion, die praktisch rein konventionell strukturiert ist. Warum Frankreich den Strom aus Deutschland abnimmt, ist in dem Energiewende-SPEZIAL Deutschlands Strom Im- und Exporte dieser Kolumne nachzulesen.

Zum Schluss dieses Artikels möchten wir noch einen Blick in die Zukunft werden. Wie würde die Stromversorgung aussehen, wenn bei gleichen Windverhältnissen wie vom 10.12. bis zum 13.12.2000 bereits ein Ausbaugrad der regenerativen Stromerzeuger von 86% erreicht wäre. Agora Energiewende hat mit seinem Zukunfts-Agorameter ein feines Prognosetool entwickelt, mit dem wir das Szenario durchspielen für den regenerativ sehr schwachen durchspielen möchten. Zunächst das „Original“:

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Bei gleichen Wetterverhältnissen sähe die Stromerzeugung im Jahr 2040 so aus:

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Die „heutige, die lila Bedarfsline“ zeigt, dass der Strom im Jahr 2022 auch bei 86% Ausbaugrad ´Erneuerbare` für den betrachteten Viertages-Zeitraum nicht ausreichen würde.  Für die Prognosen kalkuliert das Agora-Zukunftsmeter korrekterweise einen höheren Strombedarf (Wärmepumpen, E-Mobilität, Elektrifizierte Industrieprozesse usw.). Um diesen Bedarf zu decken, muss in der Spitze zusätzlicher Strom von 80 GW – am 12.12.2040, 12:00 Uhr – konventionell hergestellt werden.

Wir wollen kurz anreißen, was das bedeutet. Aktuell stehen in Deutschland 31 GW installierte Leistung Gas zur Verfügung. Bedenkt man, dass eine Reserve (16 GW) notwendig ist, müssten etwa 85 Gaskraftwerke H2 ready mit einer Leistung von jeweils einem GW beziehungsweise entsprechend vielen kleineren Kraftwerksblöcken à 300 oder 400 MW Leistung. Die Hoffnung auf Stromspeicher, die Deutschland auch nur die 96 Stunden des Betrachtungszeitraum mit Energie versorgen könnten, ist blauäugige Theorie. Vor allem fehlt der Strom nicht nur bei solch einem Dunkelflauten-Szenario, welches ein- bis zweimal pro Jahr auftritt. Es entstehen bei starkem Wind und kräftiger Solarstrahlung plus hohem Ausbaugrad „Erneuerbare“ sehr hohe Überschüsse, die man billig an das benachbarte Ausland abgeben, wenn nicht gar mit Bonus (negative Strompreise) verschenken muss. Auch 2040 wird es keine Speicher geben, die diese Mengen Strom aufnehmen könnten, um ihn bei Bedarf wieder abzugeben.

Der letzte Chart gibt die Zukunftsprognose für das Jahr 2030 = 68% Ausbaugrad  (Für das Jahr 2040 ist die Agora-Zukunftsmeter-Langfristansicht leider fehlerhaft) mit dem Wetter des Jahres 2022 wieder:

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Es ist also durchaus nicht so, dass nur in Zeiten der kalten Dunkelflaute (Beginn und Ende des Jahres 2022) zusätzlich konventioneller Strom in großen Mengen benötigt wird, um den Strombedarf Deutschlands zu decken. Und: Es gibt es auch bei einem rechnerisch-theoretischen Ausbaugrad der „Erneuerbaren“ von 68% praktisch keine Stromüberschüsse, die überhaupt gespeichert werden könnten, wenn es denn Speicher gäbe. Genau so wenig, wie es in den vergangenen sieben Jahren der Fall war.

 *Das Kanzler-Machtwort und die Strompreis-Halbierung

 

Das Machtwort des Bundeskanzlers am 17.10.2022 zum Weiterbetrieb der drei verbliebenen Kernkraftwerke bis zum 15.4 2023 hatte eine bemerkenswerte Auswirkung. Das Strompreisniveau sank an der Strombörse sofort um mehr als 50%. Beleg: Der mittlere Preis vom 1.1.2022 bis zum 16.10.2022 liegt bei 245€/MWh. Vom 16.10.2022 bis zum 10.11.2022 bei 119€/MWh. Seien Sie versichert: Einen so geringen Durchschnittspreis über mehr als 3 Wochen gab es vom 1.1.2022 bis zum 16.10.20220 nicht einmal. Schauen Sie selbst hier. Auffällig ist, dass trotz des hohen Importbedarfs Deutschland ab 17.11.2022 die Strompreise zumindest im Verhältnis zum vorherigen Zeitraum moderat bleiben. Wir sind uns allerdings sicher, dass, wenn nicht noch kurzfristig eine weitere Laufzeit-Verlängerung über den 15.4. 2023 hinaus beschlossen wird, das Börsenpreiskarussell – spätestens ab Februar 2023 – die Strompreise in ungeahnte Höhen treiben wird.

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