Energiewende & das „Osterpaket“ und 10 Tage Flaute im März 2022

08.04.2022 enexion

Die Zeichen stehen auf Geschwindigkeit. Klimaminister Habeck unternimmt alles, um den Weg für einen wesentlich schnelleren Ausbau der regenerativen Stromerzeugung mittels Wind – und Solarkraft zu ebnen. Etwas infantil und ganz in der Tradition eines „Gute Kita-Gesetzes“ wird das Gesetzesvorhaben „Osterpaket“ genannt. Das dickste Osterei des Paketes ist dieses (Quelle der Zitate): „Kernstück des Pakets ist, dass die Bedeutung der Erneuerbaren als ´Freiheitsenergie`, wie sie beispielsweise FDP-Finanzminister Christian Lindner bezeichnet, nicht mehr nur in Reden auftaucht – sondern im Gesetz. Dort ist künftig der Grundsatz verankert, dass ´die Nutzung erneuerbaren Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient`. Die Auswirkungen sind weit. Erneuerbare Energien haben künftig Vorrang bei der Schutzgüterabwägung.“ Dem Bürger werden damit wesentliche Einspruchsmöglichkeiten zwar nicht genommen, die Aussicht auf Erfolg sinkt allerdings erheblich. Vor allem aber soll durch Bürgerbeteiligungen Wohlwollen erkauft werden. „Bürgerenergieprojekte können künftig auch realisiert werden, ohne dass sie zuvor an einer Ausschreibung teilnehmen müssen. Zudem übernimmt der Bund 70 Prozent der Planungskosten, falls die Kommune nicht den Zuschlag bekommen hat. Die finanzielle Beteiligung von Kommunen zum Beispiel an Windenergieanlagen wird ausgebaut und gestärkt.“

Die Ausbauziele Wind- und Solarkraft des „Osterpaketes“ sind ambitioniert, noch ambitionierter als die des Ampel-Koalitionsvertrages. „Für den Klimaschutz setzt die Bundesregierung die Ziele herauf. Im Jahr 2030 soll 80 Prozent – statt bisher 65 Prozent – des deutschen Stromverbrauchs von Erneuerbaren gedeckt werden. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lag ihr Anteil bei 42 Prozent. […] Rund 115 Gigawatt Windkraft an Land wird bis 2030 angestrebt. Das ist doppelt so viel, wie bisher an Windkraft gebaut ist. Auch die Leistung von Solarenergie soll sich nahezu vervierfachen: auf 215 Gigawatt. Die Ziele für Windenergie auf See setzt die Bundesregierung ebenso herauf: auf ´mindestens` 30 Gigawatt bis 2030. Das ist viermal so viel wie heute.“

Von Speichertechnologien ist auf der Webseite des Klima-Ministerium zwar in einem separaten Punkt die Rede. Das „Osterpaket“ enthält gleichwohl keinerlei Aussagen oder Ziele für diesen wichtigen Bereich. Was höchst bedauerlich ist. Mangelnde oder auch nur unzureichende Speichermöglichkeiten für regenerativ erzeugten Strom führen bei den oben erläuterten Plänen zu einem massiven Preisverfall für den erzeugten Strom. Strom wird in großem Umfang nicht nur verschenkt werden müssen. Es werden Negativpreise anfallen, so dass die Stromabnahme Deutschlands Nachbarn zusätzlich vergütet werden muss. So wie es bereits am 20. März dieses Jahres der Fall war. Öffnen Sie diesen Chart und sehen Sie die jeweiligen Werte, indem Sie mit der Maus über die Fläche streichen. Bemerkenswert ist zum Beispiel, dass neben den Negativpreisen am 20.3.2022 auch der Höchstpreis für Strom ausgeworfen wird. Am 8.3.2022 lag der Strompreis für eine Stunde bei 700,-€/MWh. An diesem Tag hat Deutschland für 133,3 GWh benötigten Importstrom knapp 66 Mio. € ausgegeben. Das entspricht 492,-€/MWh. Genau ein Jahr zuvor lag der Importpreis bei damals bereits hohen knapp 62€/MWh (Beleg mit vielen weiteren Analysemöglichkeiten)

Betrachten wir den 10-Tagesflauten-Zeitraum vom 21.3. bis zum 30.3.2022:

Quelle

Klicken Sie die ´Quelle` an. Es öffnet sich die Vollversion des Charts. Mit der Maus können Sie einzelne Werte abrufen. Sie können beliebige Aspekte (zum Beispiel die weiter unten wichtige konventionelle Stromerzeugung) zu- oder abschalten. Oder auch einen anderen beliebigen Zeitraum einstellen.

Entscheidend ist der offensichtliche Sachverhalt, dass eine Verdoppelung oder Verdreifachung des per Windkraft erzeugten Stroms nicht ausreichen würde, um den Bedarf zu decken. Bei der PV-Stromerzeugung sieht es zumindest über die Mittagsspitze anders aus. Eine Verdoppelung hätte zumindest für einige Stunden eine regenerative Strombedarfsdeckung plus Zusatzstrom zur Folge. Da aber ein jedem Fall noch die Netz stabilisierende fossile Stromerzeugung (etwa ein Fünftel des Bedarfs) hinzukäme, wäre viel zu viel Strom im Markt, der die Preise in den Keller treiben würde. Fazit: Eine Verdoppelung der Wind- und PV-Stromerzeugung hatte für die Nacht und für den größten Teil des Tages keine Strombedarfsdeckung zur Folge. Es muss Strom fossil hinzuerzeugt werde. Für einige Stunden über Mittag wird der Markt mit Strom überschwemmt. Die fossilen Kraftwerke können insbesondere zum Vorabend die fossile Erzeugung gar nicht so schnell hochfahren, um den steigenden Strombedarf nach So Sonnenuntergang zu decken. Schön zu erkennen an den roten „Importflächen“ des Charts und der jeweiligen kleinen Spitze in der gelben Bedarfskurve an den ersten fünf Tagen. Auch am Morgen, wenn die PV-Stromerzeugung hochfährt, ergeben sich ab und zu Lücken, die per Stromimport geschlossen werden müssen. Dass die ausländischen Stromerzeuger sich den Export nach Deutschland gut bezahlen lassen, belegt die schwarz gestrichelte Preiskurve eindrucksvoll. In der Tatsache, dass es sich beim Importstrom zu erheblichen Teilen um Strom aus Kernkraft, Kohle und Gas handelt, liegt eine gewisse Tragik der deutschen Energiewende. Ein Blick auf die Gesamtstromerzeugung (regenerativ & konventionell) zeigt, dass Deutschland bereits heute vor allem über Tag große Menschen Strom zu im Verhältnis zu den zu zahlenden Importpreisen niedrigen Strompreisen exportieren muss.

Quelle

Bei einer Verdoppelung bis Vervierfachung der Stromerzeugung per Photovoltaik ist über Tag mit einer sehr starken Überproduktion zu rechnen. Eine Strom-Überproduktion, die entweder durch (kontraproduktive) Abregelung verhindert werden muss, oder die mit Bonuszahlungen an Deutschlands europäische Nachbarn verschenkt wird. Und das praktisch an jedem Tag, an dem die Sonne stark auf die Paneelen scheint. Kurz: Bei schönem Wetter. Wenn die Windstromerzeugung noch in hohem Maße hinzukommt, wird die Preisgestaltung so dynamisch-hohe Ausmaße annehmen, dass der Strom kaum noch zu bezahlen sein wird.

Anders sähe es aus, wenn genügend Speicher vorhanden wären, um in erster Linie den überschüssigen PV-Strom aus dem Markt zu nehmen und wieder in das Netz einzuspeisen, wenn er benötigt wird. Leider wird zum Beispiel der Vorschlag von Prof. Bruno Burger, u. a. verantwortlich für die „energy-charts“ des Fraunhofer ISE, nicht im „Osterpaket“ berücksichtigt. Batterie-Kurzzeitspeicher könnten, wenn sie zum geplanten PV-Ausbau in ausreichendem Maß (verpflichtend mit hohen Subventionen) zum PV-Ausbau dazukämen, diese Aufgabe übernehmen. Das Problem wäre damit zwar nicht komplett gelöst. Doch es wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Der Ausbau der regenerativen Stromerzeugung und der Ausbau von Speichertechnologien müssen Hand in Hand gehen. Wobei die Kurzzeitspeicher absoluten Vorrang vor Wasserstofftechnologien haben sollten. Mit Kurzzeitspeichern kann, wenn die Pläne Habecks umgesetzt werden, zumindest eine Glättung der zu großen Teilen sehr volatilen regenerativen Stromerzeugung erfolgen. Wie unser Beispiel oben zeigt, ist die Windstromerzeugung auch in Flautenzeiten unstet und schwankend. Vor allem aber wird die insgesamt sehr dürftige Windstromerzeugung über Tag durch sehr starke PV-Stromerzeugung ergänzt. Mit der Folge, dass bei weiterem Ausbau der Wind- und PV-Stromerzeugung die ökonomisch negativen Effekte massiv verstärkt werden. Was auf Dauer wesentlich mehr Kosten verursacht als der parallele Zubau von Kurzzeitspeichern beim PV-Ausbau.

 

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