Energiewende & Bundeskanzler Scholz beim World Economic Forum (WEF) 2023 – Teil 1

07.02.2023 enexion

Am 18.1.2023 hielt Bundeskanzler Olaf Scholz seine Rede beim WEF in Davos. Es war eine Rede, in der der Bundeskanzler wesentliche Aussagen zum Standort Deutschland in Sachen Wirtschaft und Energiewende machte. Um diese Aussagen „griffig“ zu machen, haben wir die Kanzler-Rede in insgesamt 15 Teile zerlegt, teilweise ergänzt und kommentiert. Die ersten 8 Teile werden in diesem Artikel, die weiteren 7 in nächsten Artikel dieser Kolumne abgehandelt.

Die Kanzler-Rede in der Übersicht

 

1. Beginn der Rede mit Ausführungen zum Ukraine-Krieg (4:15 Min.)

2. Stand der Dinge in Deutschland (2:14 Min.)

3. Klimaziele & LNG (1:05 Min)

4. Die neue ´Deutschlandgeschwindigkeit` (1:00 Min.)

5. Energiebedarf & Ausbauziele (1:03 Min.)

6. Wasserstoff – Energieträger der Zukunft (1:56 Min.)

7. Nochmal: „Energie muss bezahlbar bleiben“ (1:01 Min.)

8. Deutschland, EU und weltweite Verantwortung (1:45 Min.)

Im nächsten Artikel werden die weiteren sieben Teile der Rede des Bundeskanzlers in Davos abgehandelt:

1. Geplante Investitionen – Neuer Anfang für die Industrie (1:27 Min.)

2. Deutschland: Alle relevanten Gruppen halten zusammen (o:37 Min.)

3. Zuwanderung ist willkommen – Höchststand der Beschäftigung (0:54 Min.)

4. Innovationsmotor ´Deutscher Mittelstand` (0:59 Min.)

5. Ziel – Europa wird bis zum Jahr 2050 klimaneutral (1:55 Min)

6. Klimaclub & finanzielle Ressourcen der westlichen Welt (2:49 Min.)

7. Prognose & Schlussbemerkungen (1:09 Min.)

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1. Beginn der Rede: Ausführungen zum Ukraine-Krieg

 

Mittlerweile wurde die zusätzliche Lieferung des Kampfpanzers Leopard 2 aus mehreren NATO-Staaten beschlossen. Die USA liefern der Ukraine ebenfalls Kampfpanzer vom Typ Abrams. Eine neue Diskussion über den Wunsch der Ukraine nach Kampfjets und anderer Waffensysteme (U-Boote) ist entbrannt, wurde aber noch nicht entschieden. In Südamerika hat Bundeskanzler Scholz in Sachen Unterstützung der Ukraine durch Argentinien und Brasilien erhebliche Dämpfer einstecken müssen.

2. Energie – Der Stand der Dinge in Deutschland

 

Die Zinsanhebungen der EZB waren mehr als überfällig. Die Inflationsrate wird dennoch im Jahr 2023 und womöglich darüber hinaus hoch bleiben. Erste hohe Lohnabschlüsse setzen die Lohn-, Preisspirale in Bewegung. Wie sich die gestiegenen Zinsen auf die Investitionsbereitschaft von Mietwohnungs- und Eigenheimbauern, von Gewerbe und Industrie auswirken bleibt abzuwarten. Der Gedanke, den der Kanzler impliziert, dass die Transformation der auf fossile Energie gestützten Wirtschaft ohne Probleme in eine klimaneutrale, auf regenerative Energieversorgung aufgebaute Wirtschaft ohne erhebliche Probleme, die zu einem großen Teil rein physikalisch begründet sind, vonstatten gehen wird, ist – gelinde gesagt – verwegen. Eine unberechenbare, schwankende Energietransformation mittel Windkraft- und PV-Anlagen ist nur mit gewaltigen Speichermöglichkeiten vor allem elektrischer Energie für eine Industrienation wie Deutschland nutzbar. Mehr dazu unter Punkt 6 „Wasserstoff“.

3. Klimaziele & LNG

 

LNG ist ein sehr klimaschädlicher Energieträger. Flüssiggas kann – in sehr geringem Umfang – dazu beitragen, den Energiebedarf Deutschlands zu decken. In Sachen Klimaschutz allerdings ist LNG nutzlos. Wesentlich sinnvoller wäre es, die unter Deutschland befindlichen Gasreserven auszubeuten. Direkt oder auch per „Fracking“. Dann würde der Verflüssigungsprozess und er Transport nach Deutschland eingespart. Das so gewonnene Gas könnte zur Herstellung blauen Wasserstoffs hergestellt werden. Die dafür notwendige CO2-Speicherung (CCS) sollte auch in Deutschland erfolgen. Klimaminister Habeck denkt bereits in diese Richtung, nachdem „Blauer Wasserstoff“ aus Katar und in Zukunft auch aus Norwegen nach Deutschland zu enorm hohen Preisen und mit erheblichen Energieverlusten transportiert werden soll. Die LNG-Terminals sind für ein Land, das „Klimaneutralität“ in gut 22 Jahren erreichen will, eine sehr teure ´Krücke` ohne jeglichen Klimanutzen. Kein Grund also für den Kanzler die „Inbetriebnahmen“ so exponiert zu erwähnen.  Gut gefüllte Gasspeicher in diesem Winter 2022/23 bedeuten nicht, dass dies auch im Winter 2023/24 der Fall sein wird. LNG jedenfalls wird die Speicher nicht füllen.

4. Die neue ´Deutschlandgeschwindigkeit`

 

Der Kanzler will die Transformation der Wirtschaft in klimaneutrale Produktionsweisen mit einer ´neuen Deutschlandgeschwindigkeit` vorantreiben. Dafür werden – das sagt Kanzler Scholz nicht – wichtige Natur- und Umweltschutz – Richtlinien/Gesetze von oben herab praktisch geschleift. In Gerichtsverfahren wird der §2 EEG 2023, der von der Klima-Industrie selbstverständlich begrüßt wird, dafür sorgen, dass Bürgerinteressen in den Hintergrund rücken. Beispiel: Die nachträgliche Genehmigung von vier Windkraftanlagen im Birgeler Urwald im Kreis Heinsberg/Rheinland.

5. Energiebedarf & Ausbauziele

 

Ausschreibungen sind noch keine gebauten Windkraft- oder PV-Anlagen. Oft werden die Ausschreibungen nicht komplett gezeichnet. Bemerkenswert ist, dass Bundeskanzler Scholz nahezu in eine Verdoppelungseuphorie abgleitet. Den Anteil regenerativer Stromerzeugung mittels Windkraft und Solarenergie bis zum Jahr 2030 verdoppeln zu wollen, ist ein vollkommen aussichtsloses Unterfangen. Eine nochmalige Verdoppelung danach ebenfalls. Und wenn die Pläne der Regierung bis 2030 in Sachen E-Autos (15 Mio.), Wärmepumpen (4 Mio.) plus grüner Wasserstoff (siehe Punkt 6) tatsächlich Wirklichkeit werden sollten, werden 750 TWh in Deutschland erzeugter plus importierter Strom im Jahr 2030 kaum ausreichen.

6. Wasserstoff – Energieträger der grünen Zukunft

 

Bis zum Jahr 2045, dem geplanten Jahr der Klimaneutralität Deutschland werden sehr konservativ kalkuliert mindestens 1.800 TWh per Windkraft- und PV-Anlagen erzeugter grüner Strom notwendig sein, um die fossil-angelegte Wirtschaftsweise zu transformieren. Welchen Anteil die Erzeugung grünen Wasserstoffs an dieser Strommenge haben wird, steht noch nicht fest. Fakt ist, dass Deutschlands Industrie bereits heute etwa 55 bis 60 TWh Wasserstoff, fossil hergestellten Wasserstoff verbraucht. „Zur Einordnung der Dimensionen ein Blick auf die Nationale Wasserstoffstrategie, die die Bundesregierung im Juni vergangenen Jahres verabschiedet hat: In der Wasserstoffstrategie wird für 2030 das Ziel definiert, in Deutschland jährlich 14 TWh grünen Wasserstoff herzustellen.“ Quelle Handelsblatt 21.4.2021 . Das Problem des grünen Wasserstoffs liegt darin, dass zur Erzeugung grüner Strom, also in erster Linie Strom, der mittels Wind- oder Solarkraft erzeugt wurde, unabdingbar ist. Von den 100% der in den Elektrolyseur eingespeisten elektrischen Energie kommt im besten Fall 70% als Wasserstoff gespeicherte Energie heraus. Sollen die bereits jetzt in der Industrie benötigten 60 TWh fossil erzeugter Wasserstoff grün werden, werden etwa 86 TWh grüner Strom benötigt. Um rein rechnerisch 86 TWh grünen Strom offshore innerhalb eines Jahres herzustellen, sind 3.263 Windkraftwerke auf See mit einer Nennleistung von 7 MW notwendig: Nur um den bereits heute in der Industrie gebrauchten fossilen Wasserstoff zu ersetzen. Neue Substitutionsbereiche in der der Industrie, beispielsweise die vom Bundeskanzler erwähnte Stahlproduktionsanlage Anlage von Thyssen-Krupp, sind in dieser Berechnung noch gar nicht enthalten. Diese benötigt ebenfalls grünen Wasserstoff, um klimafreundlich zu produzieren. Der große Vorteil dieser Anlage liegt darin, dass sie, solange der grüne Wasserstoff nicht oder nur in geringem Umfang vorhanden ist, auch mit Gas, mit grauem, blauem oder auch mit Mischformen der unterschiedlich gewonnenen Energieträger betrieben werden kann.

Der Verweis auf Wasserstoffimporte ist wenig zielführend. In welchen Ländern wird tatsächlich grüner Wasserstoff hergestellt? In Katar und Norwegen jedenfalls nicht. Vielleicht kommt das mal. Pläne gibt es viele. Seit langem. Es bleibt dennoch die Frage, warum Länder, die selbst noch fossil wirtschaften, grünen Wasserstoff nach Europa, nach Deutschland liefern sollten. Bestenfalls ist es blauer, teuer erkaufter Wasserstoff, der mit den eigenen Ressourcen wesentlich günstiger hergestellt werden könnte.

7. Nochmal: „Energie muss bezahlbar bleiben“

 

Die Bürger und Unternehmen, Handel, Gewerbe und Industrie werden von der Bundesregierung in Sachen Energiepreise stark unterstützt. Gleichwohl ist es Geld, welches die Steuerzahler irgendwann (Steuern/Inflation) zurückzahlen müssen. Jetzt ist die Bevölkerung noch geduldig und ruhig. Das kann sich trotz der optimistischen Aussagen des Bundeskanzlers sehr schnell ändern.

8. Deutschland, EU und weltweite Verantwortung

 

Faktisch ist Deutschland das einzige Industrieland, welches gleichzeitig auf Kohle und Kernkraft verzichtet. Schwellenländer, die Länder der Dritten Welt, China, Indien und Afrika setzen nicht nur auf Kohle. Das ist Fakt. Kernkraftwerke sind in hoher Zahl in Planung. Auch in Europa. Das russische Gas fehlt nur in Europa. Selbstveranlasst durch Sanktionen gegen Russland. Dem Weltmarkt steht das Gas und auch das Erdöl Russlands   zur Verfügung. Über abenteuerliche Umwege kommt es auch Europa. Als LNG, als Öl-Raffinerieprodukte. Selbstverständlich zu entsprechenden Preisen. Die Sanktionen schaden Europa, schaden Deutschland viel mehr als Russland.

Teil 9 bis 15 plus aktuelle Entwicklungen im Bereich Energiewende folgen in Teil 2 dieser Analyse.

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